Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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40 Tipps rund um Motivational Interviewing
/ Motivierende Gesprächsführung
Zusammenfassung bewährter Handlungsempfehlungen

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Von Dr. Dr. med. Herbert Mück zum ähnlich lautenden Kursbaustein
(z.B. Teil des Kurses Gesundheitsförderung & Prävention der ÄKNO, 28. Mai 2016)

1.    Nutzen Sie jeden Kontakt, um gesundheitsfördernde Impulse zu setzen und die Beziehung zum Klienten weiter zu optimieren. Machen Sie sich bewusst, dass es nicht möglich ist, einen Klienten nicht zu beeinflussen. Auch Ignorieren und jegliche Form der (stets unvermeidbaren!) Auswahl beeinflussen Ihr Gegenüber.

2.    Gewährleisten Sie immer und immer wieder eine Geduld und Zuversicht ausstrahlende und durch Wertschätzung und Sicherheit geprägte Atmosphäre. Unter „Stress“ ist unsere Aufmerksamkeit maximal eingeschränkt und ausschließlich auf „Überstehen der Situation“ ausgerichtet. Vermeiden Sie negative Bewertungen („Kritik“), wo immer es geht. Teilen Sie dem Klienten mit, wie viel Zeit Sie für das Gespräch eingeplant haben.

3.    Fördern Sie die „Aufnahmebereitschaft“ (Motivierbarkeit) des Klienten, indem Sie für ein geeignetes „Ambiente“ sorgen (ablenkungsfreie Umgebung, Abdecken von Basisbedürfnissen des Klienten, wie z.B. Hunger) und auf eine „rezeptive“ Körperhaltung hinwirken (möglichst aufrechtes und damit waches Sitzen). Wer hungrig ist oder bereits auf einen erschöpfenden Tag zurückblickt, kann sich nur schlecht konzentrieren und ist kaum „motivierbar“.

4.    Verhelfen Sie dem Klienten und sich zu dem Erleben von Resonanz, indem Sie eine ähnliche Körperhaltung einnehmen wie Ihr Klient und sich dessen Sprechtempo und Ausdrucksweise anpassen, insbesondere Sprachbilder aus der Welt des Klienten verwenden (bitte KEIN „Nachäffen“).

5.    Suchen Sie nach Aspekten, die Ihnen den Klienten sympathisch machen und die Sie aufrichtig schätzen können. Bauen Sie von Begegnung zu Begegnung mehr „Beziehungskredit“ auf. Erst wenn sich Menschen in einer Beziehung sicher fühlen, sind sie bereit, „Neuland“ zu erkunden (zusätzliche Möglichkeiten zu „explorieren“).

6.    Vermeiden Sie Mehrdeutigkeiten in Ihrer Ausdrucksweise, um den Patienten nicht unnötig zu verunsichern oder zu ängstigen („Sie sind ein Risikopatient“, „An Ihrer Stelle würde ich mich regelmäßig untersuchen lassen…“). Erklären Sie lieber mehr als zu wenig und überprüfen Sie, was Ihr Gegenüber glaubt verstanden zu haben.

7.    Gewähren Sie sich und dem Klienten Pausen zum Nachdenken und Nachspüren. Sonst erhalten Sie nur unreflektierte Reaktionen, aber keine wirklich(neuen) Antworten.

8.    Bemühen Sie sich darum, das „Problem“ des Klienten im Detail zu verstehen. Oft verändert der Klient allein schon deshalb seine Sichtweise und sein Erleben, weil er selbst sein „Problem“ noch nie so genau und umfassend exploriert hat. Ermutigen Sie daher den Klienten, sich ggf. noch ausführlicher zu äußern („Beschreiben Sie dies noch etwas genauer.“). Auf längere Sicht können Sie dadurch Behandlungen mitunter eindrucksvoll verkürzen.

9.    Bemühen Sie sich um „aktives Zuhören“, bei dem Sie Äußerungen des Klienten mit eigenen Worten so wiederholen, dass dieser merkt, dass Sie sich mit dem Gehörten auseinandergesetzt haben. So unterstützen Sie den Klienten, sich seiner Mitteilung bewusster zu werden und zu überprüfen, ob das von ihm Gesagte mit dem von ihm Gemeinten übereinstimmt. Außerdem fördern Sie beim Klienten Eigenaktivität, insbesondere die Bereitschaft, eigenverantwortlich seine Themen zu untersuchen und zu lösen und sich bei diesem Vorgehen als „selbstwirksam“ zu erleben.

10.  Stellen Sie möglichst „offene Fragen“ (Was, Wie, Wofür…?) statt „geschlossene Fragen“, die der Patient bloß mit „ja“ oder „nein“ beantwortet. Geschlossene Fragen erzeugen schnell die Atmosphäre eines Verhörs, während offene Fragen die „Selbstexploration“ und „Eigenaktivität des Klienten fördern.

11.  Lassen Sie sich auf die individuellen Sichtweisen und Wertsetzungen des Klienten ein („Ich will abnehmen, damit mir mein Sommerkleid wieder passt“ „Wenn ich weniger Süßigkeiten kaufe, spare ich Geld und kann mir das neue Videospiel kaufen“). Die Wertsetzungen des Klienten steuern dessen Verhalten oft stärker als von Ihnen vorgetragene generelle Erkenntnisse und Weisheiten („Das dient Ihrer Gesundheit.“ „Damit handeln Sie verantwortungsvoll.“).

12.  Beachten Sie die kommunikativ hilfreiche Einteilung in mehr „handlungsorientierte“ und mehr „situationsorientierte“ Menschen, um Ihre Argumentation daran auszurichten („Da die Krankenkasse solche Kurse fördert, erscheint die Situation momentan günstig…“). Handlungsorientierte Menschen entscheiden schneller und lassen sich weniger leicht durch Misserfolge demotivieren („Wenn das nicht geklappt hat, was könnten Sie alternativ probieren?“).

13.  Erkennen Sie frühzeitig Klienten, die lediglich von ihren Problemen „erlöst“ werden wollen und nicht bereit sind, Eigenverantwortung zu übernehmen. Sie suchen „kostenfreie Lösungen“, die eine Illusion sind. Dieser Aspekt ist dann vorrangig zu klären.

14.  Akzeptieren Sie, wenn Klienten sich nicht ändern wollen. Bieten Sie höchstens an genauer zu klären, warum das so ist. Akzeptieren Sie auch, dass es Menschen gibt, denen es sehr schwer fällt, Eigen- oder Mitverantwortung zu übernehmen und die deshalb auch nur wenig Eigenmotivation entwickeln können.

15.  Führen Sie nicht alles vorschnell auf „mangelnde Motivation“ zurück: Manchmal gibt es Ambivalenzen, die dem Klienten das Handeln erschweren. Manchmal fehlt es dem Klienten schlichtweg an Energie („Willensstärke“ / Wollen / „Glukose“), um die „Komfortzone“ der Gewohnheit zu verlassen. 

16.  Verzichten Sie auf eigene Tendenzen, den Klienten „missionieren“ oder „retten“ zu wollen, und machen Sie Ihr eigenes Befinden nicht von Veränderungen beim Klienten abhängig. Die Verantwortung im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung liegt beim Klienten.

17.  Schärfen Sie Ihre Sinne für Stärken und Fähigkeiten Ihrer Klienten und lassen Sie sich erläutern, wie diese ihre Erfolge bislang erzielt haben („Wie kriegen Sie es hin, dass es Ihnen heute gut geht / am Sonntag gut gegangen ist?“). Verzichten Sie auf lapidare oder knackige Lobsprüche („Klasse gemacht!“) und beschreiben Sie stattdessen genauer, wie sich die Stärke des Klienten äußert und was Sie daran beeindruckt.

18.  Entwickeln Sie ein Gehör für gesundheitsrelevante Ambivalenzen in den Äußerungen Ihres Klienten („Ich sitze viel vor dem Fernseher.“ „Ich mag halt so gerne Süßigkeiten.“). Ermutigen Sie ihn, das Für und Wider seines aktuellen und des möglichen neuen Verhaltens zu beleuchten und gegeneinander abzuwägen.

19.  Sensibilisieren Sie Ihre Wahrnehmung für Change Talk (selbstmotivierende Äußerungen) von Klienten und fördern und stärken Sie diesen durch vertiefende Reflexionen und konsequentes Zusammenfassen. Wiederholen und würdigen Sie lieber einmal zu viel als zu wenig. Dadurch werden neue Sicht- und Verhaltensweisen stabiler im Klienten verankert (repräsentiert). Laden Sie auch den Patienten ein, das für ihn Wesentliche noch einmal selbst zusammen zu fassen.

20.  Registrieren Sie auch noch so kleine Dissonanzen („Widerstand“) im Verhältnis zu Ihrem Klienten und fragen Sie sich, was Sie selbst dazu beigetragen haben und wie Sie der Situation wieder zu „Konsonanz“ verhelfen können. Sorgen Sie auf diese Weise dafür, dass der Klient weiter mit Ihnen im Kontakt bleibt und er nicht aufhört, sich mit seinem Thema auseinanderzusetzen (es zu explorieren).

21.  Bitten Sie ausdrücklich (und bei jedem weiteren Thema erneut!) um die Erlaubnis, einen vielleicht unangenehmen Aspekt ansprechen zu dürfen. Wenn der Klient dies verneint (oder offensichtlich das Thema beenden möchte), fragen Sie ihn, ob Sie vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt oder unter anderen Rahmenbedingungen das Thema noch einmal aufgreifen dürfen.

22.  Vermeiden Sie das Wort „aber“. Denn dieses stellt alles in Frage, was vor dem Wort „aber“ gesagt wurde. Der Klient hört und merkt sich vor allem nur noch das, was nach „aber“ gesagt wird. Daher sollte man Ambivalentes immer mit dem Wort „und“ verknüpfen.

23.  Drücken Sie „Change Talk“ sprachlich in der Gegenwart aus und „Dissonanz“ („Widerstand“) möglichst in der Vergangenheit. So fördern Sie auf verbalem Weg Veränderungsprozesse.

24.  Helfen Sie auf sprachlichem Weg Ihrem Klienten, in dem Sie zwischen ihm und seinem „Problem“ möglichst viele Unterscheidungen einführen und das Problem möglichst „zerstückeln“, so dass es leichter zu bewältigen erscheint Beispiel: Der Klient sagt etwa „Ich bin Raucher“. Sie reflektieren dies, sofern Ihnen dies bereits bekannt ist (sonst erfragen Sie es), durch „Sie sagen also von sich, dass Sie bislang im Verlauf eines Tages, vor allem während der Arbeitszeit, also auf der Baustelle, zwischen 20 und 30 Zigaretten geraucht haben.“ Damit verlagern Sie sprachlich das „Problem“ teilweise aus dem Patienten heraus in Aspekte seines Alltags (oder schon in die Vergangenheit), wodurch es weniger mit ihm selbst „verstrickt“ erscheint.

25.  Sehr hilfreich kann es sein, in Defizitbeschreibungen des Klienten konsequent das Wort „noch“ einzubauen („Noch rauche ich.“ „Noch fehlt mir der Antrieb zum Sporttreiben.“).

26.  Argumentieren Sie nie einseitig für die positive Veränderung, da dies „Reaktanz“ beim Klienten fördert, der dann leicht in „Sustain Talk“ (Sprache des Verharrens) verfällt.

27.  Scheuen Sie sich nicht, kritische Punkte offen anzusprechen („schlafende Hunde zu wecken“). Denn diese wirken auch unausgesprochen und kommen irgendwann doch zum Tragen, um dann auch bewusst zum Hindernis zu werden. Aus den gleichen Gründen macht es Sinn, so offen und ausführlich wie möglich darüber zu sprechen, dass auch positiv erscheinende Veränderungen ihre Nachteile haben.

28.  Lernen Sie damit zu leben, dass Ambivalenz mit schwankender Motivation beim Klienten einhergeht, so dass die Lage bei jedem neuen Kontakt wieder eine andere sein kann.

29.  Berücksichtigen Sie, dass Motivation immer auch von der Situation abhängt, in welcher sich der Klient gerade befindet, und allein auch deswegen ständig schwanken kann („Jetzt wurde mir auch noch gekündigt… starb meine Oma… kamen vier Wochen lang meine Eltern zu Besuch… lachte mich meine Freundin aus, als sie dies hörte…“ „musste ich unvorhergesehen meinen Kollegen monatelang vertreten…“)

30.  Erleichtern Sie es dem Klienten, die notwendige Verantwortung für das Erreichen eines Zieles zu übernehmen, indem Sie das weitere Vorgehen ausdrücklich als „schwierig und mit harter Arbeit verbunden“ beschreiben. Ein mögliches Versagen können die Klienten dann der Größe der Aufgabe anlasten und brauchen es nicht der eigenen Person zuzuschreiben. Die Selbstachtung bleibt so erhalten.

31.  Wundern Sie sich nicht, wenn manche Klienten Änderungspläne, die sie selbst begrüßt und gewollt haben, letztlich doch nicht umsetzen, weil ihnen diese Pläne in der Vergangenheit zu oft durch Bezugspersonen aufgedrängt worden waren. Hier kann das Bedürfnis nach Autonomie einer Veränderung entgegenstehen.

32.  Bieten Sie bei Vorschlägen möglichst immer mehrere Alternativen an und nicht nur eine: Wenn man nur eine Alternative vorstellt, wird der Klient eher gegen diese argumentieren, während er bei einer größeren Auswahl vermutlich leichter geneigt ist, aus der Fülle der Möglichkeiten vielleicht das kleinere Übel zu wählen.

33.  Formulieren Sie zusammen mit dem Klienten Ziele, die klein und doch zugleich für dessen Leben bedeutsam sind, erreichbar erscheinen sowie handlungsbezogen und präzise formuliert und zeitlich terminiert sind.

34.  Überprüfen Sie, ob die gemeinsam entwickelte Zielvorstellung zu den Hauptmotiven des Klienten passt. Lassen Sie ihn sich dazu eine Situation bildhaft vorstellen, in der er sein Ziel konkret verfolgt. Wie fühlt sich das für ihn an? Fällt ihm eine Last ab? Wenn es sich nicht gut anfühlt (er keine „Resonanz“ spürt) oder den Klienten „kalt lässt“, sollten Sie gemeinsam das Ziel überprüfen und ggf. ein anderes wählen.

35.  Überlegen Sie gemeinsam, welche Schwierigkeiten sich der Zielerreichung in den Weg stellen könnten und welche Möglichkeiten es für solche Fälle gibt, die betreffenden Hindernisse zu überwinden.

36.  „Diagnostizieren“ Sie bei Ihren Klienten möglichst keine „Probleme“ (die nach Unveränderbarkeit und / oder nach Scheitern klingen). Sprechen Sie lieber von „veränderbaren Verhaltensweisen“, mit denen der Betreffende oder seine Umwelt derzeit nicht zurechtkommen.

37.  Begrüßen und würdigen („anerkennen“) Sie auch schon kleinste Veränderungen. Es ist bereits ein Fortschritt, wenn ein alkoholgefährdeter Klient weniger Alkohol konsumiert, ein Mehrfach-Drogen-Abhängiger sich von einer einzelnen Droge löst oder ein übergewichtiger Patient nicht mehr den Aufzug benutzt, sondern Treppen steigt.

38.  Lernen Sie „Entschlossenheit“ von „Pseudoentscheidungen“ zu unterscheiden. Letztere erkennt man daran, dass die Betreffenden weiterhin über Alternativen nachdenken, beim Auftreten von Schwierigkeiten die Entscheidung schnell in Frage stellen, nur zögerlich handeln, kneifen oder schnell aufgeben.

39.  Gehen Sie vorsichtig mit Floskeln um („Das wird schon klappen“). Solche Sprüche lösen bei manchen Klienten Reaktanz aus.

40.  Achten Sie darauf, authentisch zu sein. Engagieren Sie sich für solche Verhaltensweisen Ihres Klienten, die Sie entweder schon selbst verkörpern oder die Sie, falls Sie in der Situation des Patienten wären, selbstverständlich umsetzen würden. Ein deutlich übergewichtiger Arzt wird beim Thema Gewichtsabnahme bei Adipösen wenig Resonanz finden. Es sei denn, er beschreibt offen, seine eigenen Ambivalenzen und Bemühungen, um dann den Klienten zu fragen, ob er ähnliche Erfahrungen kennt und mit ihm gemeinsam über Lösungen für beide sprechen möchte. Allein schon Ihr Vorbild motiviert!