Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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5. Die vier Gesprächsfertigkeiten des
Motivational Interviewing

 

Neben der soeben beschriebenen „dreisäuligen Grundhaltung“ und den vier Handlungsgrundsätzen sollte der Gesprächspartner über spezielle „Gesprächsfertigkeiten“ verfügen, die sich auf das Gegenüber beziehen und daher „personenzentriert“ sind. Zu ihnen gehören insbesondere

  • 1.     Stellen offener Fragen

  • 2.     „Aktives Zuhören“ (Reflektieren / Spiegeln)

  • 3.     Bestätigen

  • 4.     Zusammenfassen

Offene Fragen zielen darauf ab, den Klienten zum Reden über seine wichtigen Themen zu ermutigen. Ähnlich wie alle Interviewfertigkeiten verfolgen sie insbesondere auch das Ziel, beim Klienten eine Selbstexploration in Gang zu setzen und zugleich sog. Change Talk zu ermöglichen. Mit letzterem ist gemeint, dass der Klient in die Lage versetzt wird, sich verbal mit seinen eigenen Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Offene Fragen sind solche, auf die man nicht nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten kann und gehören in der Regel zu den sog. W-Fragen (Wer, was, wo, wie, warum…). Sie dienen der Exploration und erleichtern es, sich ein umfassenderes Bild von der aktuellen Situation, den Bedürfnissen und den Problemen des Klienten zu machen. Um nicht den Eindruck eines Verhörs zu erzeugen oder ein Machtgefälle zu suggerieren, sollten maximal zwei Fragen am Stück gestellt und dann „Reflexionen“ (siehe dazu gleich) eingestreut werden. Als optimal hat sich ein Verhältnis von einer Frage zu mindestens zwei Reflexionen bewährt. So behält der Klient den Eindruck, dass die Hauptverantwortung weiter bei ihm liegt und rutscht nicht in eine passiv-regressive Haltung ab. Beispielsfragen sind: „Was genau hat Sie zu mir geführt?“ Was genau hätten Sie gerne anders?“ „Inwiefern ist Ihr Verhalten für Sie selbst oder Ihre Mitmenschen Anlass zur Sorge?“ “Was bringt Sie auf den Gedanken, dass es sich um ein Problem handelt?“ „Welche Schwierigkeiten haben Sie bislang durch Ihre Erkrankung bekommen?“ „Was sollte ich noch wissen, um Ihre Situation zu verstehen?“ „Ich verstehe, dass Ihnen…. Sorgen macht. Erzählen Sie mir bitte etwas mehr darüber.“ „Wenn es für Sie in Ordnung ist, würde ich gerne etwas mehr über Ihren Alkoholkonsum erfahren.“ „Was sollte ich vielleicht sonst noch wissen, um für sie als Gesprächspartner hilfreich sein zu können?“ „Wie wünschen Sie sich, dass sich Ihr Leben weiterentwickelt?“ „Wovon wünschen Sie sich momentan mehr und wovon weniger?“

Wie und was man erfragt, hängt wesentlich von dem jeweiligen Stadium der Veränderung ab, in dem sich der Klient im Hinblick auf ein für ihn wichtiges Thema gerade befindet. Nach dem „Transtheoretischen Modell“ von Di Clemente und Prochaska unterscheidet man fünf Stadien: 1. Absichtslosigkeit, 2. Absichtsbildung, 3. Vorbereitung, 4. Handlung, 5. Aufrechterhaltung. Da sich Mitglieder von Gruppen in jeweils unterschiedlichen Veränderungsstadien befinden, ist verständlich, warum Motivational Interviewing in Gruppen eine besondere Herausforderung darstellt.

Aktives Zuhören (Reflektieren)“ zählt zu den wichtigsten und zugleich schwierigsten Fertigkeiten des Motivational Interviewing. Wie bereits die offenen Fragen, will es Selbstexploration und Change Talk (selbstmotivierende Äußerungen) des Klienten fördern. Es bedient sich unterschiedlicher Arten der „Reflexion“, mit denen der Gesprächspartner auf das Wahrgenommene reagieren kann. Bei „einfachen“ Reflexionen wiederholt der Gesprächspartner lediglich mit leicht variierten Formulierungen wesentliche Aussagen des Klienten. Bei „vertieften“ oder „komplexen“ Reflexionen liefert er zusätzliche Informationen (z.B. was er glaubt erspüren zu können oder wie der das Gehörte deutet). „Weiterführende“ Reflexionen beinhalten Impulse, die das Gehörte mit dazu passenden Fragestellungen verknüpfen und so zusätzliche Explorationen anregen. Mitunter werden auch noch „doppelseitige“ (sie geben die wahrgenommene Ambivalenz wieder) und „metaphorische“ Reflexionen eingesetzt. Letztere bieten für das vom Klienten Gesagte eine „Metapher“ an und beinhalten letztlich „Hypothesen“, auf die der Klient durch weitere Klärung eingehen kann. Autoren wie David B. Rosengren plädieren dafür, Hypothesen (und Vermutungen) eher großzügig als spärlich einzusetzen. Angemessen formuliert liefern sie der Selbstexploration des Klienten oft starke Impulse.

Der Begriff „Reflexion“ deutet besser als der Begriff des „Spiegelns“ an, dass der Gesprächspartner in der Regel nicht nur mechanisch etwas „spiegelt“, sondern im abstrakten Sinne des Wortes das Gehörte innerlich auch selbst „reflektiert“. Reflexionen zeigen dem Klienten, dass er nicht nur gehört, sondern auch verstanden wurde. Missverständnisse können leichter erkannt und korrigiert werden. Außerdem ermöglicht aktives Zuhören dem Klienten, sich ein weiteres Mal selbst zuzuhören und sich damit selbst zu überzeugen. Kaum etwas wirkt stärker als die eigene Argumentation! Insbesondere beim Reflektieren von Gefühlen sollte man dies eher „untertreibend“ tun, da man so die weitere Exploration des Klienten fördert. Dagegen droht bei Übertreibungen die Gefahr, dass der Klient widersprechen und so seinen Gedankenfluss unterbrechen muss und er sich vielleicht (wieder einmal?) missverstanden fühlt. Die Reflexion von Gefühlen kann in besonderem Maße die Bindung (das „emotionale Verständnis“) zwischen Gesprächspartner und Klient fördern

Bestätigen“ („Affirmationen“ formulieren) soll vor allem dem Klienten seine schon vorhandenen Fähigkeiten ins Bewusstsein rufen und damit seine Selbstwirksamkeitserwartung (sein Selbstvertrauen) stärken. „Bestätigen“ sollte man nicht auf eine plumpe Weise („Super!“ „Toll!“ „Weiter so!“ – von passenden Ausnahmen abgesehen), sondern indem man die jeweils wahrgenommene Fähigkeit oder das beschriebene Vorgehen ausdrücklich wertschätzt („Es ist bemerkenswert, dass Sie sich diesmal so schnell in Behandlung begeben haben.“ „Da Sie es so lange ohne Hilfe geschafft haben auszukommen, scheinen Sie über viele und wichtige Fähigkeiten zu verfügen.“ „Ihr Erfolg spricht für die sehr durchdachte Vorbereitung.“ „Was Sie da gebaut haben, scheint ja wunderbar zu funktionieren.“ „Sie scheinen wirklich einen starken Willen zu haben.“ „Ihr Durchhalten in dieser schwierigen Situation betrachte ich als ein Zeichen von Stärke“.).

Reflektieren, Bestätigen und Zusammenfassen sind nicht nur sanfte (und durchaus subtile), sondern letztlich auch wirkungsstarke Methoden, um aus der Fülle des vom Klienten mitunter dargebotenen Stoffs diejenigen Elemente herauszufiltern und zu stärken, die eine positive Weiterentwicklung des Klienten wahrscheinlicher machen.

Diesem Ansatz dient das „Zusammenfassen“ vielleicht am deutlichsten: Durch häufigeres Zusammenfassen bietet der Gesprächspartner dem Klienten die Möglichkeit, sich die änderungsrelevanten Aspekte des Gesprächs noch einmal verdichtet und eventuell auch geordnet bewusst zu machen. Zusammenfassungen selektieren (trennen Wesentliches von Unwesentlichem) und verdeutlichen dem Klienten, wie gut man ihm zuhört und ihn versteht. Die Begründer des Motivational Interviewing vergleichen das Zusammenfassen mit dem Pflücken und Sammeln der schönsten Blüten einer Wiese, um diese dann in Form eines Blumenstraußes dem Klienten zu überreichen. Zusammenfassungen bieten zudem die Möglichkeit, mehrere bislang separat besprochene Einzelthemen sinnvoll zu verbinden und ermutigen den Klienten in aller Regel, mit seiner Exploration (in die von der Zusammenfassung möglicherweise angebotene Richtung) fortzufahren. In Anlehnung an die hier angedeuteten Möglichkeiten unterscheidet man daher zwischen sammelnden, verbindenden und überleitenden Zusammenfassungen.

Hirnphysiologisch gesprochen „bahnen“ die im Reflektieren, Bestätigen und Zusammenfassen enthaltenen Wiederholungen (neue) Nervenbindungen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese künftig rascher aktiv werden und gegenüber älteren Nervenverbindungen („Mustern“) bevorzugt werden. Im Gehirn sind dann ausreichend starke „Repräsentationen“ einer verändert wahrgenommenen „Wirklichkeit“ angelegt.

Zusätzlich zu der skizzierten „Grundhaltung“ und den „Beratungsfertigkeiten“ sollte der Gesprächspartner kompetent mit Widerstand umgehen, „Change Talk“ fördern und den Klienten für ein „Commitment“ gewinnen können.