Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

E-Mail: kontakt@dr-mueck.de (Keine Beratungen per Telefon oder E-Mail!) - Gerne können Sie diese Seite verlinken!

 

Web www.dr-mueck.de

Home
Nach oben
Impressum/Vorwort
Stichwortverzeichnis
Neues auf dieser Website
Angst / Phobie
Depression + Trauer
Scham / Sozialphobie
Essstörungen
Stress + Entspannung
Beziehung / Partnerschaft
Emotionskompetenz
Selbstregulation
Sucht / Abhängigkeit
Fähigkeiten / Stärken
Denkhilfen
Gesundheitskompetenzen
Selbsthilfe+Gesundheitstipps
Krisenintervention
Therapeuten-Suche
Über die Praxis Dr. Mück
Konzept+Methoden
Erfahrungsberichte
Lexikon/Häufige Fragen
Innovationen / Praxisforschung
Wissenschaftsinformationen
Gesundheitspolitik
Infos auf Russisch
English Version
 

 

Aktives Zuhören

Diese Seite zum Download im pdf-Format
Diese Seite als Hördatei (mp3)

 
Nach fast einem Vierteljahrhundert psychotherapeutischer Erfahrung als niedergelassener Arzt beeindruckt es mich immer wieder, wenn Patienten auf meine Frage „Was hat Ihnen am meisten in unserer Zusammenarbeit geholfen?“ vor allem antworten „Dass Sie mir zugehört haben“.
Nicht meine in zahlreichen Fortbildungen erworbenen Spezialkenntnisse, Fähigkeiten und Techniken waren es, die Platz 1 der hilfreichsten Erfahrungen einnahmen, es war die bloße Tatsache des Zuhörens. Dabei gilt es, verschiedene Formen des Zuhörens zu unterscheiden, von denen das „aktive“ Zuhören zweifelsfrei eine der mächtigsten und hilfreichsten Varianten ist. Wie schon das Adjektiv „aktiv“ verdeutlicht, geht es NICHT darum, dass der Zuhörer oder die Zuhörerin einen möglichen Redeschwall passiv über sich ergehen lässt. Vielmehr „verhält“ sich ein „aktiv Zuhörender“ in einer Weise gegenüber dem „Redefluss“, der auch für Außenstehende erkennbar „aktiv“ ist. Das Spektrum der Verhaltensweisen beginnt bei einer zugewandten Körperhaltung, die der Körperhaltung des Sprechers ähnelt und dessen Bewegungen nachvollzieht, und erstreckt sich über kurze Äußerungen wie „Aha!“, „Mmmh!“ „Na, so was“ bis hin zu mehr oder weniger umfangreichen Zusammenfassungen des Gehörten.
 
Wesentlich erscheint dabei, dass die „Aktivität“ des Zuhörers sich nicht in einer echohaften wörtlichen Wiederholung des Gehörten erschöpft. Denn dies würde den Sprecher rasch „nerven“, wenn er sich dabei „nachgeäfft“ fühlt. Vielmehr kommt es darauf an, dass in der „Antwort“ (manche sprechen von Reflexion oder Spiegelung) zumindest auch eine Prise von eigenem Erleben (Denken, Fühlen) des Zuhörers steckt. Dies signalisiert dem Sprecher, dass der Zuhörer tatsächlich ebenfalls an dem Kommunikationsgeschehen beteiligt ist und nicht nur als Echo-Automat funktioniert. Im Falle einer ausführlichen „Spiegelung“ erhält der Sprecher zudem die Möglichkeit, das von ihm zuvor Gesagte mit dem Gehörten zu vergleichen. Ein solcher Vergleich erleichtert es dem Sprecher, sich der eigenen Äußerung bewusster zu werden und für sich selbst zu überprüfen, was er denn selbst genau gemeint hat und vielleicht dem Gegenüber vermitteln will. Die klassische Gesprächstherapie würde in diesem Zusammenhang sagen, dass der Sprecher durch die Reflexion des Gesagten die Möglichkeit erhält, sein eigenes Erleben zu „aktualisieren“, dieses also auf einen Erkenntnisstand zu bringen, welcher der momentanen Situation besser entspricht. Vor diesem Hintergrund wird zugleich verständlich, warum lange Redepassagen für den Sprecher eher selten hilfreich sind. Denn dadurch nimmt er dem Gegenüber die Möglichkeit, ihm bewusstseinsfördernde und klärende Rückmeldungen zu geben. Lange Redepassagen erschweren es dem Zuhörer zudem, sich (alle) wichtig erscheinenden Gesichtspunkte zu merken und gleichzeitig konzentriert dem Redefluss zu folgen.

Hilfreiche Formulierungen für das einfache „aktive Zuhören“ lauten zum Beispiel: „Habe ich richtig verstanden, dass…“ „Sie meinen also, dass…“. Zum aktiven Zuhören gehört auch die Einladung „Erzählen Sie mir noch mehr davon.“ Aktives Zuhören kann und darf auch Impulse setzen, indem der Zuhörer einzelne Aspekte des Gehörten besonders hervorhebt, etwa in der Form „Höre ich richtig heraus, dass es Ihnen vor allem darum geht….?“ „Es klingt für mich, als wäre das Wichtigste für Sie…“ Alle Rückmeldungen sollten bewertungsfrei sein. Eine in therapeutischen Zusammenhängen oft sehr hilfreiche Spiegelung betrifft das Aufgreifen des emotionalen Gehalts einer Mitteilung. Beispiele: „Die geschilderte Situation scheint Ihnen Angst zu machen, obwohl Sie gleichzeitig mit Gefühlen der Trauer kämpfen.“ Oder: „Eine solche Erfahrung scheint Sie innerlich zu erregen, ja verzweifeln zu lassen.“ Oder: „Wenn ich so etwas höre, macht mich das traurig. Inwieweit entspricht das auch Ihrem Erleben?“ Die letztgenannte Formulierung zeigt, dass Fragen durchaus zum „aktiven Zuhören“ passen, sofern diese den Sprecher motiviert, sein Thema genauer zu erforschen („explorieren“).
Mögliche Beispielsfragen lauten: „Was genau an dieser Situation macht Sie so traurig?“ „Welche eigenen Lösungsmöglichkeiten haben Sie zu der beschriebenen Problematik schon entwickelt?“ Um die Selbstexploration des Sprechers nicht zu bremsen und nicht in ein Verhör zu verfallen, sollten Fragen eher zurückhaltend gestellt werden und hinter der Häufigkeit von Spiegelungen deutlich zurücktreten. „Geschlossene Fragen“ (auf die man normalerweise nur mit „ja“ oder „nein“ antwortet) verleiten zum Verhör und verhindern damit „aktives Zuhören“. In diesem Zusammenhang hilfreich sind vor allem „offene Fragen“ („Wie stellen Sie sich das vor?“ „Welche Ideen haben
 
 Sie selbst dazu?“ „Inwiefern bereitet Ihnen das Sorgen?“). Eine bewährte Frage, die einen langen Redefluss konstruktiv beenden kann, lautet „Was genau wollen Sie mir damit sagen?“. Hilfreich kann in solchen Fällen auch die Frage sein: „Wenn unser Gespräch jetzt zu Ende wäre, wären Sie dann mit dessen Verlauf zufrieden oder würde Ihnen noch etwas fehlen?“. Grundsätzlich empfehle ich meinen Patienten für schwierige Gespräche die Devise „Lieber fragen als sagen.“

Wie die bisherigen Ausführungen hoffentlich klar genug zeigen, ist aktives Zuhören alles andere als eine Einbahnstraßenkommunikation. Sie gelingt vor allem dann, wenn sich der Zuhörer tatsächlich als ein „resonanter“ Partner zur Verfügung stellt.
Mit anderen Worten: Es gilt, zuerst das Gehörte auf sich einwirken zu lassen (dafür bedarf es nicht selten einer Pause!), um dann im zweiten Schritt eine „persönliche“ Spiegelung anbieten zu können. Aufgrund dieses Zusammenhangs ist es möglich, dass sich sowohl im Zuhörer wie auch im Sprecher etwas verändert, was von beiden als gelingendes Gespräch erlebt werden kann.

Gelingendes Aktives Zuhören setzt eine Gesprächshaltung voraus, die der Begründer der klientenzentrierten Gesprächstherapie Carl Rogers mit den Begriffen (bedingungslose) Wertschätzung (des Klienten), Empathie (Einfühlen in den Klienten) und Kongruenz (Echtheit, Authentizität, Übereinstimmung zwischen eigenem Reden, innerer Einstellung und Verhalten) beschrieben hat. Diese Umstände fördern das Vertrauen des Sprechers zum Zuhörer und gewährleisten dem Sprecher die notwendige Sicherheit in der Beziehung zum Zuhörer. Sie erleichtern es dem Sprecher, sich auf Gedankengänge und innere Erfahrungen einzulassen, die möglicherweise sogar schmerzhaft sein und / oder das bisherige Selbstbild verändern können.
 

Auf Seiten des Zuhörers ist es durchweg hilfreich, wenn dieser auch Schweigen aushalten kann. Oft erwächst gerade aus dem Schweigen Neues, während der dahinplätschernde Redefluss häufig nur eingefahrene Standardfloskeln wiederholt.

Aktives Zuhören gelingt nur dann, wenn der Zuhörer sich wirklich auf den Sprecher einlassen kann. Aktives Zuhören fördert die Eigenaktivität und Selbstheilungskräfte des Klienten sowie dessen Bereitschaft, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen (statt sich auf Ratschläge anderer zu beziehen und die Fremdstrategien dann für Erfolg oder Scheitern verantwortlich zu machen). Wachsende Eigenaktivität und Eigenverantwortung können besonders solche „zuhörende“ Helfer entlasten, die sich schnell für Leid und Lösungen anderer verantwortlich fühlen.