Die deutsche Volkswirtschaft verschenkt jährlich Milliarden von Euro.
Vielen Unternehmen ist es bis heute nicht gelungen, die Kreativität ihrer
Mitarbeiter in adäquater Form abzurufen und sie für das Unternehmen zu
nutzen. Vergleicht man die Ergebnisse der im Jahre 1990 vom Massachusetts
Institute of Technology durchgeführten Studie, die sich u.a. mit der
Anzahl der abgegebenen Verbesserungsvorschläge in der Automobilindustrie
beschäftigt hat, mit den gegenwärtig abrufbaren Zahlen, so ist der
Vergleich für bundesdeutsche Unternehmen mehr als ernüchternd. Legt man
die Zahlen, die das Deutsche Institut für Betriebswirtschaft (dib) für das
Jahr 2006 ermittelt hat, einer Beurteilung zugrunde, so hat sich die
Anzahl der Verbesserungsvorschläge von 0,4 im Jahre 1990 auf rund 0,6 im
Jahre 2006 erhöht. Aussagekräftiger werden diese Zahlen vor allem dann,
wenn man sie mit der Entwicklung in Japan vergleicht, wo der
Durchschnittswert bei 61 Verbesserungsvorschlägen pro Mitarbeiter liegt.
Da verwundert es nicht, wenn die Mitarbeiter von Toyota im Jahre 2005
590.000 Verbesserungsvorschläge gemacht haben, von denen auch noch 90
Prozent umgesetzt wurden und so Toyota eindrucksvoll bewiesen hat, warum
es zu den erfolgreichsten Automobilherstellern der Welt gehört.
Noch deutlicher wird das fehlende bzw. nur
ansatzweise umgesetzte Ideenmanagement in bundesdeutschen Unternehmen,
wenn man einen Blick auf die Größenordnung an Kosteneinsparungen wirft,
die aufgrund der nicht abgerufenen Kreativität bei den Mitarbeitern den
Unternehmen verloren gehen. Legt man die vom dib im Jahre 2006 bei den
untersuchen Unternehmen ermittelte Durchschnittssumme für einen
realisierten Verbesserungsvorschlag in Höhe von 1100 Euro zugrunde, dann
ergibt sich auf der Grundlage von 40 Millionen Erwerbstätigen und der
Annahme, dass lediglich ein Verbesserungsvorschlag umgesetzt wird, ein
Einsparvolumen in Höhe von 44 Milliarden Euro. Dieser Sachverhalt führt
zwangsläufig zu der Frage, warum dieser Tatbestand von den allermeisten
Unternehmen nicht zur Kenntnis genommen und damit gleichzeitig auf
entscheidende Wettbewerbsvorteile verzichtet wird.
Ideenmanagement, die Alternative
Eine Vielzahl an Untersuchungen, die wir im
Rahmen von Diplom- oder Magisterarbeiten durchgeführt haben zeigt, dass
den Unternehmen nicht immer klar ist, was man mit einem Ideenmanagement
eigentlich erreichen will. Während die einen schon zufrieden sind, wenn
man Mitarbeitern zumindest die Möglichkeit gibt, Verbesserungsvorschläge
einzureichen, formulieren andere Unternehmen klare Ziele, die sich in
quantitativ nachmessbaren Größen niederschlagen. Anzahl der
Verbesserungsvorschläge, Realisierungsquote, Kosteneinsparungen pro
Verbesserungsvorschlag, betriebsinternes Benchmarking sind nur einige
Kennzahlen, die bei erfolgreichen Unternehmen Anwendung finden. Während
auf der einen Seite Industrieunternehmen wie z.B. ABB, Audi oder Siemens
sowie auf der Dienstleistungsseite Konzerne wie die Deutsche Post oder das
Medienhaus Springer die Liste derjenigen Unternehmen anführen, die sehr
erfolgreich das Ideenmanagement eingeführt haben, zeigt eine Studie der
EuPd Research in Bonn, dass rund 20 Prozent der größten deutschen
Unternehmen zugeben, sich überhaupt nicht um das Vorschlagswesen kümmern.
Aber auch eine Vielzahl an klein- und mittelständischen Unternehmen hat
immer noch nicht realisiert, welche Vorteile das Ideenmanagement mit sich
bringt. Dabei gibt es kaum ein anderes Managementtool bei dem für alle
Beteiligten eine derartige win-win-Situation entsteht. Während die
Unternehmen Zeit und Kosten sparen, in vielen Fällen sich die
Kundenzufriedenheit erhöht und zudem eine Reihe von Schwachstellen
beseitigt werden, erhalten die Mitarbeiter zusätzliche Incentives in Form
von Geld- und/oder Sachprämien. Sie fühlen sich dadurch besser akzeptiert,
was sich wiederum in einer erhöhten Leistungs- und Motivationsbereitschaft
ausdrückt. Selbst der Betriebsrat, der derartigen Vereinbarungen zustimmen
muss, tritt mehr als Moderator denn als Vertreter von
Interessengegensätzen auf.
Ein kleines Rechenbeispiel
Spricht man klein- und mittelständische
Unternehmen an, warum sie z.B. keine eigene Stelle für einen Ideenmanager
besetzen, erhält man häufig die Antwort, dass sich das finanziell nicht
rechnet. Vielleicht hilft das nachfolgende, sicherlich vereinfachte
Zahlenbeispiel, sich doch noch einmal mit der angesprochenen Problematik
auseinanderzusetzen. Unterstellen wir einen mittelständischen
Industriebetrieb mit 500 Beschäftigten, dem es gelingt, dass jeder
Mitarbeiter einen Verbesserungsvorschlag pro Jahr einreicht. Unterstellen
wir darüber hinaus, dass statt die vom dib angegebene Summe von 1000 Euro
nur 500 Euro als Durchschnittseinsparung pro Verbesserungsvorschlag
angesetzt werden und die Realisierungsquote bei 60 Prozent liegt (die
dib-Vorgabe liegt bei 64 Prozent), dann steht dem Unternehmen ein Betrag
in Höhe von 150 000 Euro zur Verfügung. Welche Aufwendungen sind nun für
das Unternehmen verbunden? Zunächst müssen wir dem Ideenmanager ein
anständiges Gehalt zahlen, weil es sich ja um eine hochqualifizierte
Tätigkeit handelt. 60.000 Euro inklusive der für das Unternehmen
anfallenden Sozialversicherungsbeiträge sind hier sicherlich ein guter
Mittelwert. Die laufenden Kosten für alle mit der Ausübung der Tätigkeit
verbundenen Aufwendungen sollen pauschal mit 10.000 Euro in die
Kalkulation einfließen. Bleibt noch die Frage, wie wir mit den
Mitarbeitern umgehen wollen, die ihre Verbesserungsvorschläge eingebracht
haben und sicherlich eine Honorierung in irgendeiner Form erwarten.
Kleine Geschenke mit großer Wirkung
Dabei müssen wir von drei verschiedenen Arten
von Verbesserungsvorschlägen ausgehen. Zum einen handelt es sich um
Vorschläge, die man sofort umsetzen kann und die mit Kosteneinsparungen
verbunden sind. Der zweiten Kategorie sind Vorschläge zuzuordnen, die z.B.
einer Verbesserung der Arbeitssicherheit oder dem Umweltschutz dienen und
häufig mit höheren Kosten bei der Umsetzung verbunden sind. Schließlich
gibt es noch Verbesserungsvorschläge, die – aus welchem Grund auch immer –
nicht umgesetzt werden können. Und für alle drei Arten sollte das
Unternehmen den Mitarbeitern ein Angebot unterbreiten, das
motivationsfördernd wirkt. Beispielhaft könnte man
Verbesserungsvorschläge, die zu einer Kostenreduktion führen, mit 10
Prozent der eingesparten Summe pro Jahr honorieren, in unserem Beispiel
wären das 15.000 Euro. Darüber hinaus könnten wir für die zweite Kategorie
von Verbesserungsvorschlägen einen Pauschalbetrag von z.B. 5.000 Euro
ausloben, eine Summe die Abteilungsleiter am Ende des Jahres nach
Wichtigkeit und Bedeutung auf die entsprechenden Einreicher verteilen
könnten. Die letzte Kategorie der nicht umgesetzten
Verbesserungsvorschläge wird von der Mehrzahl der Betriebe überhaupt nicht
zur Kenntnis genommen. Das Motto hierbei lautet: Was wir nicht umsetzen
können, können wir schließlich auch nicht honorieren. Unter dem Aspekt der
Motivationsförderung ist dies der falsche Ansatz. Kleine Geschenke
erzielen hier eine große Wirkung. Wie wäre es, wenn man von der zur
Verfügung stehenden Summe 10.000 Euro nehmen und sie für eine Tombola
verwenden würde? Jeder Mitarbeiter, der einen nicht realisierten
Verbesserungsvorschlag gemacht hat, dürfte daran teilnehmen.
Chancengleichheit für alle wäre gegeben. Selbst wenn noch weitere Kosten
mit in die Gesamtkalkulation einbezogen werden, wie sie z.B. für externe
Beratung oder für anderweitig hier nicht explizit aufgeführte Tätigkeiten
anfallen, es bleibt ein interessantes Fazit: Es lohnt sich. Und jeder kann
das nachrechnen. Gerade klein- und mittelständische Unternehmen sollten
das angeführte Beispiel noch einmal aufgreifen und prüfen, ob sie nicht
dem Ideenmanagement die Aufmerksamkeit schenken sollten, wie es
erfolgreiche Unternehmen schon seit längerer Zeit tun.
Kreativität erleichtert Innovation
Vielen Unternehmen fehlt das strategische
Gespür, welche langfristigen Konsequenzen mit einer laxen Haltung
gegenüber dem Ideenmanagement verbunden sind. In einer globalisierten
hochkomplexen Wirtschaft wird ein bundesdeutsches Unternehmen nur dann
erfolgreich im internationalen Wettbewerb bestehen können, wenn es sich
über innovative Produkte und Dienstleistungen definiert. Dafür gibt es
aber keine bessere Basis als die Vielzahl der eingereichten
Mitarbeiterideen. Man vergisst zu häufig, dass zwischen 50 bis 60 Ideen
notwendig sind, um eine davon erfolgreich in eine Innovation fortzuführen.
Dabei bedingen sich Ideenmanagement und Innovation. Während die
eingereichten Verbesserungsvorschläge eher einer Politik der kleinen
Schritte mit vielen Beteiligten entspricht, ist mit einer Innovation
häufig ein Quantensprung verbunden, man denke nur an die Einführung des
Computers. Zunehmende Bedeutung erlangen dabei heutzutage innovative
Geschäftsmodelle und nicht mehr nur allein Produktinnovationen. Ein
Drittel der Innovationsbemühungen befasst sich laut einer Studie von IBM,
bei der 765 CEOs befragt wurden, mit Geschäftsmodellinnovationen.
Innerhalb dieses Innovationstyps wiederum entfallen 40 Prozent auf
Produkt- und Dienstleistungsinnovationen und 30 Prozent auf
Prozessinnovationen.
Ein neuer ganzheitlicher Denkansatz
Das Ziel des Ideenmanagements muss es von
daher sein, so viele Ideen wie möglich zu generieren. Die Fokussierung
allein auf das Unternehmen reicht dabei nicht mehr als Ideenpool aus. Ein
ganzheitlicher Ansatz entlang der Wertschöpfungskette ist gefragt. Während
alle bisherigen Überlegungen darauf abzielten, das bestehende
Verbesserungswesen von innen, also vorwiegend über die Mitarbeiter zu
definieren und zu verbessern, verfolgt der neue Denkansatz eine
Einbeziehung aller Akteure, die innerhalb und außerhalb des Unternehmens
bei der Ideengewinnung helfen können. Die systematische Integration von
Lieferanten, Kunden, Ideenclubs und Institutionen wie beispielsweise
Hochschulen, Wirtschaftsverbänden oder Fachgremien unterschiedlicher
Berufssparten lassen ein Potential erkennen, das man unbedingt für das
Unternehmen nutzbar machen sollte. Die nachfolgenden Beispiele mögen
ansatzweise zeigen, von welchen Voraussetzungen der neue Denkansatz
ausgeht.
Weiter denken
Obwohl Zehntausende von hochqualifizierten
Mitarbeitern am Airbusprojekt A 380 mitgewirkt haben, hatte man offenbar
vergessen, den Bedürfnissen der Kinder in adäquater Weise zu entsprechen.
Als der Eigner von Virgin Airlines, Herr Bronson, nach der besonderen
Serviceleistung des Unternehmens im Hinblick auf die Kinderbetreuung
fragte, bekam er nur stereotype Antworten, wie z.B. die Ausgabe von
Spielzeug oder die große Auswahl von speziellen Kinderfilmen. Er war es,
der dann vorschlug, eine ganz bestimmte Fläche als Kinderspielplatz im
Flugzeug auszuweisen und durch das Bordpersonal zu beaufsichtigen. Als
dies möglich war, bestellte er zwei Maschinen. Jüngst fragte ein Lieferant
von Volkswagen, ob denn das abschließbare Handschuhfach im Auto eigentlich
genutzt würde. Eine Kundenbefragung wurde in Auftrag gegeben und es
stellte sich heraus, dass 95 Prozent der Autofahrer ihr Handschuhfach
nicht abschließen. Dann wurde entschieden, auf das Schloss zu verzichten.
Millionen von Euro konnten dadurch eingespart werden. Bei Gebeco/Dr.Tigges
gibt es ein Kundenparlament. Hier haben die eingeladenen Kunden über zwei
Tage die Möglichkeit, Anregungen aber auch Beschwerden zu äußern. Gerade
Beschwerden geben den Unternehmen die Chance, aus Fehlhaltungen die
richtigen Schlüsse zu ziehen bzw. neue Ideen zu entwickeln, die in Zukunft
helfen könnten, den Kunden von Anfang an zufrieden zu stellen.
Beschwerdemanagement wird auf diese Weise zu einem integralen Bestandteil
des Ideenmanagements.
Ein ganzheitlicher
Denkansatz ist gefragt. In dieser Phase kommt es vor allem auf die
Kreativität und die Entschlusskraft der Führungskräfte an. Denn neben der
Optimierung bestehender Prozesse müssen in Zukunft auch diejenigen mit in
das Ideenmanagement einbezogen werden, die wir als Partner für unser
Unternehmen verstehen. Kreativität ist damit keine Einbahnstraße mehr, die
vorwiegend auf die Mitarbeiter zielt, sondern vollzieht sich entlang der
Wertschöpfungskette und schließt auch diejenigen mit ein, die uns ihre
Ideen, wie z.B. Hochschulen oder Ideenclubs, anbieten. Diese gebündelte
Kreativität abzurufen sollte eine vorrangige Aufgabe von Unternehmen sein.
(Stand: 28.04.2008) |