Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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"Strukturbezogener Psychotherapie"


1. Was versteht man unter „strukturbezogener Psychotherapie?

Seelische Struktur“ ist ein Oberbegriff für wichtige Grundfunktionen unserer „Psyche“. Letztere werden schon in den ersten Lebensjahren nachhaltig angelegt. Wenn man von „seelischer Struktur“ spricht, meint man damit die Art und Weise,

a)     wie wir uns selbst und andere wahrnehmen,

b)     wie wir auf gefühlsmäßiger Ebene mit uns selbst und anderen kommunizieren bzw. umgehen,

c)     wie wir unsere Impulse, Gefühle und unseren Selbstwert selbst „regulieren“ bzw. wie wir unsere Beziehungen zu anderen gestalten,

d)     wie gut unsere „Bindungsfähigkeit“ ist (ob wir uns z.B. an andere binden und von diesen ggf. auch wieder lösen können, ob wir gute Modelle von Beziehungen verinnerlicht haben und diese zur Selbststeuerung nutzen können).

Bei Angsterkrankungen, Depressionen und Impulskontrollstörungen (wie etwa Essstörungen) sind diese Strukturen oft unzureichend ausgebildet. Man spricht dann von „strukturellen Schwächen“ oder „strukturellen Störungen“.

2. Wie entstehen strukturelle Schwächen?

Viele der von Angsterkrankungen, Depressionen und Impulskontrollstörungen betroffenen Personen hatten (insbesondere in der Kindheit) keine ausreichend guten Vorbilder. Entweder waren die Eltern oder andere wichtige Bezugspersonen nicht vorhanden, mit eigenen Problemen überfordert (wirtschaftliche Nöte, eigene Erkrankungen, insbesondere Depression und Sucht) oder sie verhielten sich extrem uneinfühlsam oder unsicher. In Ermangelung hilfreicher Rückmeldungen von der Umwelt lernten sich die Betroffenen daher selbst nur unzureichend kennen. Außerdem lebten ihnen andere nicht modellhaft vor, wie man gut mit sich und anderen umgehen kann. Nur wenige Kinder können in solchen Situationen genügend „Grundvertrauen“ entwickeln (insbesondere in Beziehungen), so dass sie fortan als „bindungsunsichere“ Menschen durchs Leben gehen. Auf körperliche Symptome, vor allem wenn diese bloß Gefühle ausdrücken, reagieren die Betroffenen bis heute irritiert, hilflos oder im Extremfall mit Angst oder Depression bzw. selbstschädigenden Impulsen. Bei zwischenmenschlichen Schwierigkeiten sind sie rasch überfordert und entwickeln mangels besserer Alternativen die erwähnten Krankheitsbilder. Ein extrem wirksamer Ansatz von Psychotherapie ist daher die „Nachentwicklung“ oder Verbesserung der noch unzureichenden seelischen Fertigkeiten (bzw. „seelischen Strukturen“). Mit Hilfe von „strukturbezogener Psychotherapie“ lernen die Patienten, insbesondere Emotionen wahrzunehmen, zu unterscheiden, zu benennen und vor allem auch sinnvoller darauf zu reagieren als bisher. Außerdem entwickeln sie im Kontakt zum Therapeuten „Beziehungskompetenz“, um anschließend mit sich und anderen besser umzugehen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum „strukturbezogene Psychotherapie“ vermutlich die effektivste und wirtschaftlichste Form von Prävention überhaupt ist: Sie vermittelt elementare Fähigkeiten, die es erlauben, unterschiedliche Krisen zu bewältigen, OHNE Symptome entwickeln oder auf diese überschießend reagieren zu müssen.

3. Wie „seriös“ ist strukturbezogene Psychotherapie“?

Obwohl es offenbar noch immer Krankenkassen und auch Fachkollegen gibt, die mit diesem Begriff noch wenig anfangen können oder ihn gar als „Außenseitermethode“ betrachten, wird Wirksamkeit und Sinn „strukturbezogener Psychotherapie“ heute in den einschlägigen Fachkreisen nicht mehr angezweifelt. Professor Dr. med. Gerd Rudolf (Heidelberg) Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie nach § 11 PsychthG und in dieser Funktion 2006 sogar „oberster deutscher Wächter über Psychotherapiemethoden“ hat der Methode (2004) ein eigenes Lehrbuch gewidmet (G. Rudolf: Strukturbezogene Psychotherapie. Leitfaden zur psychodynamischen Therapie. Schattauer 2004). Auch die Arbeitsgruppe OPD2, in der namhafte deutschsprachige Wissenschaftler ein Manual zur „Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik“ (2006) entwickelt haben, beschreibt ausgiebig „strukturelle Störungen“ und die daraus abzuleitenden diagnostischen und therapeutischen Konsequenzen (Arbeitskreis OPD: Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-„. Das Manual für Diagnostik und Therapieplanung. Huber 2006, vgl. besonders S. 338 ff.). Wie Prof. Rudolf ausführt (S. 5) kann „strukturbezogene Psychotherapie sowohl als eigenständige Therapie (wenn strukturelle Störungen das Bild bestimmen) oder als therapeutisches Element im Rahmen einer analytischen oder tiefenpsychologischen Behandlung verwendet werden.“ Missverständnisse mit nicht entsprechend weitergebildeten Kollegen entstehen leider immer wieder dadurch, dass diese bei tiefenpsychologisch orientierten Verfahren weiterhin auf der klassischen Vorgabe bestehen, dass IMMER vorrangig ein KONFLIKT beschrieben und behandelt werden muss. Diese Ansicht ist jedoch überholt, wie die o. g. Quellen aufzeigen. Heute gilt als weitgehend gesichert, dass eine Erfolg versprechende Arbeit von Konflikten erst möglich ist, wenn die dafür erforderlichen „strukturellen Grundlagen“ geschaffen sind. Diesen gebührt also vor allem dann Vorrang, wenn sie erst relativ schwach ausgebildet sind, die „Störung“ des Patienten also mehr auf mangelnder Struktur als auf einem zentralen Konflikt beruht. Sind die Strukturen erst einmal gelegt bzw. „nachgereift“, lassen sich die meist immer vorhandenen zahlreichen „Konflikte“ relativ leicht bewältigen. Nach meiner eigenen Erfahrung ist dafür eine therapeutische Begleitung in manchen Fällen sogar entbehrlich, da der Patient jetzt über alle dazu erforderlichen Kompetenzen selbst verfügt.

4. Was sind die technischen Besonderheiten „strukturbezogener Psychotherapie“?

Was Prof. Rudolf in seinem umfangreichen und sehr gut lesbarenLehrbuch detailliert beschreibt, kann hier nur angerissen werden. Zu den Besonderheiten „strukturbezogener Psychotherapie“ gehört zum Beispiel die Haltung des Therapeuten (vgl. S. 147), sich ausdrücklich und bewusst hinter den Patienten zu stellen. Das bedeutet: die Sicht des Patienten zu teilen, seine Klagen aufzunehmen und emotional zu verarbeiten, sich für sein Leiden zu erbarmen, ihm „Hilfs-Ich-Funktionen“ zur Verfügung zu stellen, Schaden durch Vorsorge zu vermeiden und ihn als Mentor, Coach oder Elternersatz zu unterstützen. Außerdem gilt es, sich neben ihn zu stellen. Der Therapeut soll also die Aufmerksamkeit des Patienten für dessen Situation teilen und diese zusammen mit ihm wie ein Drittes untersuchen. Schließlich soll er sich auch dem Patienten gegenüberstellen. Hier ist gemeint, dass der Therapeut den Patienten „spiegelt“ (ihm seine eigene Wahrnehmung zur Verfügung stellt und ihm sein Bild zurückgibt), dass er ihm „antwortet“ (ihm also seine emotionale Resonanz zeigt), dass er sein eigenes Anderssein betont und dass er ihn „konfrontiert“ (mit Aspekten der Realität und der eigenen Verantwortung). Dementsprechend spezifisch sind auch die eingesetzten Methoden (wie Anregungen zu psychischen Produktionen, klärende Fragen, Einladungen zur Selbstreflektion, antwortende Mitteilungen, spiegelnde Äußerungen, strukturierende Interventionen, aufzeigende und hypothesengeleitete Interventionen sowie eine Chronikführung für ihre Erfahrungen, vgl. Rudolf, S. 151).

5. Wie wird in der Praxis von Dr. Mück „strukturbezogene Therapie“ umgesetzt?

Gegenüber Patienten mit strukturellen Schwächen trete ich (situationsangemessen!) eher selten als „schweigender“, sondern vermehrt als „antwortender“ Therapeut auf, der sich um Rückmeldungen bemüht und diese auch aktiv einholt. In meinem Rollen- und Beziehungsverhalten will ich auch Vorbild sein. Ich gebe Erläuterungen und versuche, durch mein eigenes Beispiel zu beruhigen. Im Verlauf der Sitzung erfolgen dann Aufgaben („Konfrontationen“), die erneut und bewusst „aufregen“, um so dem Patienten die Erfahrung zu vermitteln, wie entsprechende Zustände entstehen und sich anschließend von ihm selbst regulieren lassen (anfänglich übernimmt noch der Therapeut die „Regulation“). In diesem Zusammenhang hat sich das Konzept der Doppelsitzungen bewährt. Da Patienten zu Beginn eines Treffens erfahrungsgemäß sehr aufgeregt sind, sich erst einmal Bewegendes „von der Seele sprechen“ müssen (um ruhiger zu werden) und dann ihre „Hausaufgaben“ erörtern wollen, bleibt für neue Impulse im Rahmen einer Einzelsitzung meist zu wenig Zeit. Um dieses Dilemma zu vermeiden führe ich seit geraumer Zeit mit Erfolg strukturbezogene Psychotherapie möglichst nur noch in Form von Doppelsitzungen durch. Ein weiterer konzeptueller Vorteil 14-täglicher Doppelsitzungen besteht darin, dass der Patient schon bald gehalten ist, über eine längere Zwischenzeit sich selbst zu regulieren. Er lernt also schon frühzeitig, möglichst alleine zurecht zu kommen. Dabei hilft ihm die Möglichkeit, sich jederzeit per E-Mail beim Therapeuten rückzuversichern und zeitnah eine hilfreiche Rückmeldung zu erhalten. Dieses Konzept, das Hausaufgaben, persönliche Merkzettel („Therapeutische Rückmeldungen“) und schriftliche „Sitzungsfeedbacks“ des Patienten zu jeder Sitzung einschließt, hat sich bereits in vielen Behandlungen eindrucksvoll bewährt (siehe die entsprechende Studie unter www.praxisforschung.de/2005/Internettherapie_Einleitung.htm ). Mitunter macht diese Vorgehensweise es sogar möglich, durchweg teurere stationäre Behandlungen zu erübrigen, die sonst dringend indiziert wären.

Nachtrag: Seit 2013 liegt das erwähnte Buch von Prof. Rudolf bereits in der 3. Auflage vor. Zwischenzeitlich hat die "Strukturbezogene Psychotherapie" viele Anhänger gefunden. Die Quellenangaben im voranstehenden Beitrag beziehen sich noch auf die Erstauflage. Hier sind die bibliografischen Angaben für die 3. Auflage: Rudolf, Gerd: Strukturbezogene Psychotherapie. Leitfaden zur psychodynamischen Therapie struktureller Störungen. Schattauer, 3. Auflage 2013. ISBN 978-3-7945-2857-8. 276 Seiten. Euro (D) 49,95, Euro (A) 51,40, Zum Buch auf der Verlagsseite