Einige
Versicherungen, kassenärztliche Vereinigungen und auch manche
Beihilfestellen orientieren sich immer noch an den auch in anderen Punkten
schon veralteten „Psychotherapie-Richtlinien“ (siehe das Fehlen der
"strukturbezogenen Psychotherapie"). Die Richtlinien sehen nur für
Verhaltenstherapien in besonderen Fällen Doppelsitzungen vor. Diese
Kostenträger ignorieren, dass die eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit von
Doppelsitzungen für den Bereich der Kassenmedizin schon lange als „Fehler“
gewertet wird und mittlerweile seit August 2006 offiziell durch den
Bewertungsausschuss auch aufgehoben wurde. Doppelsitzungen sind im EBM
jetzt ausdrücklich vorgesehen! Dies ist nachzulesen auf der Seite der „Deutschen
Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie“
(bitte bei Interesse anklicken!).
Heute besteht somit für
Kassenpatienten (und damit für 90 Prozent aller
Psychotherapie-Patienten!!) in allen drei anerkannten
Behandlungsverfahren grundsätzlich die Möglichkeit von
Doppelsitzungen, ohne dass dies gegenüber der Krankenkasse sonderlich
begründet werden muss (allerdings im Antrag an den Gutachter). Vor diesem
Hintergrund gibt es keinerlei logischen oder fachlichen Grund mehr, dieses
Behandlungsangebot lediglich noch Privatpatienten vorzuenthalten, nur weil
deren Honorierung auf einem rund 20 Jahre alten Vertragswerk beruht und
eine Novellierung der GOÄ vermutlich noch ewig auf sich warten lassen
wird.
Zur Frage, ob die mit dem neuen EBM explizit eingeführte Möglichkeit von
Doppelsitzungen diesbezüglich die "Psychotherapie-Richtlinien" modifiziert
oder ob für letzteres eine ausdrücklich Bechlussfassung erforderlich ist,
habe ich im August 2006 eine offizielle Anfrage an die KV Nordrhein
gerichtet. Diese soll Ende des Jahres auf Bundesebene besprochen werden
(Stand Mitte Oktober 2006). Über die Ergebnisse werde ich hier berichten,
also schicken Sie mir bitte KEINE ANFRAGEN!
Ich selbst führe seit geraumer Zeit mit Erfolg insbesondere
strukturbezogene Psychotherapie möglichst nur noch in Form von
Doppelsitzungen durch. Da Patienten zu Beginn eines Treffens
erfahrungsgemäß sehr aufgeregt sind, sich erst einmal Bewegendes „von der
Seele sprechen“ müssen (um ruhiger zu werden) und dann ihre „Hausaufgaben“
erörtern wollen, bleibt für neue Impulse im Rahmen einer Einzelsitzung
meist zu wenig Zeit. Gleichzeitig vergrößere ich den Abstand zwischen den
therapeutischen Begegnungen auf 14 Tage. Denn ein konzeptueller Vorteil
14-täglicher Doppelsitzungen besteht darin, dass der Patient schon bald
gehalten ist, über eine längere Zwischenzeit sich selbst zu "regulieren".
Er lernt also schon frühzeitig, möglichst alleine zurecht zu kommen. Dabei
hilft ihm die Möglichkeit, sich jederzeit per E-Mail beim Therapeuten
rückzuversichern und zeitnah eine hilfreiche Rückmeldung zu erhalten.
Dieses Konzept, das Hausaufgaben, persönliche Merkzettel („Therapeutische
Rückmeldungen“) und schriftliche „Sitzungsfeedbacks“ des Patienten zu
jeder Sitzung einschließt, hat sich bereits in vielen Behandlungen
eindrucksvoll bewährt (siehe die entsprechende Studie unter
www.praxisforschung.de/2005/Internettherapie_Einleitung.htm ).
Mitunter macht diese Vorgehensweise es sogar möglich, durchweg teurere
stationäre Behandlungen zu erübrigen, die sonst dringend indiziert wären.
Leider erfordert dieses Konzept in jedem Einzelfall ein mühseliges
Abstimmungsverfahren mit den Kostenträgern, da E-Mails als Element einer
Psychotherapie bislang noch in keinem einzigen amtlichen Dokument
aufgeführt werden.
Interessanterweise sind
Doppelsitzungen auch wirtschaftlicher, da die Doppelsitzungen nach
relativ kurzer Zeit nur noch in 14-täglichem Abstand erfolgen (während der
anfänglichen oder einer späteren Krisenintervention vorübergehend
wöchentlich), der Patient sehr viel rascher wieder arbeitsfähig wird und
die bewilligte Gesamtsitzungszahl meist nicht mehr ausgeschöpft werden
muss. Auch volkswirtschaftlich sind Doppelsitzungen ökonomischer, da nur
halb so viele An- und Abfahrten, Wartezeiten und weniger Fehlzeiten durch
Arztbesuche anfallen. Der Patient muss nicht mehr wöchentlich, sondern nur
noch 14-täglich zum Arzt. Dieser Aspekt ist Versicherungen und Gutachtern
leider meist völlig egal.
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