Die
folgenden Informationen gelten nur für Essstörungen, die ambulant
behandelbar sind, also insbesondere nicht für eine bereits
lebensbedrohliche Magersucht (Anorexie), bei der eine
Krankenhausbehandlung zwingend geboten ist.
1)
Es macht wenig Sinn, Essstörungen „zu bekämpfen“, da
man mit diesem Ansatz letztlich sich selbst und die eigene
Lebensgeschichte „bekämpft“. Hilfreicher ist ein Stil, der die
bisherigen Bemühungen und kleinste „Weiterentwicklungen“ wertschätzt.
Alle TeilnehmerInnen sollten möglichst vorab den bisherigen (Sekundär)Nutzen
ihres Essproblems herausarbeiten.
2)
Statt sich auf das Symptom zu konzentrieren („was man bekämpft,
das wächst“), erleichtert man Veränderungen, indem man neue
Verhaltensmöglichkeiten aufzeigt und einübt. Deswegen ist man oft
erfolgreicher, wenn man die Esskultur erweitert und sich nicht einseitig
um eine strenge Diät bemüht. Letzteres ist besonders schwierig, wenn
Essen „die letzte Freude ist, die man noch hat“. Beispiele für Veränderungen
der Esskultur sind: häufige kleine Mahlzeiten statt opulenter
Einzelmahle, langes Kauen und ausgiebiges Schmecken eines jeden Bissens
(= langsames Essen), Konzentration auf den Genuss (und Verzicht auf
gleichzeitiges Fernsehen oder Zeitungslesen, die Beseitigung von „Junk-Food“
und anderen Kalorienbomben aus dem Haushalt). Hier ist dem
Experimentiergeist keine Grenze gesetzt. Ein Tagebuch (Protokoll)
erleichtert die objektive Wahrnehmung.
3)
Da Essstörungen häufig mit psychologischen Besonderheiten verknüpft
sind, lohnt es sich, „an den psychologischen Schrauben zu
drehen“. Sobald sich hier etwas bewegt, verabschiedet sich das
Essproblem oft von selbst.
4)
Vermehrte Aufmerksamkeit
verdient eine Verbesserung der Selbstwahrnehmung. Hier helfen
besonders körperliche Erfahrungen durch Bewegung und Sport (z.B.
auch Stretching unbekannter Muskeln), aber auch liebevolle körperliche
Selbstpflege (Eincremen, Massage, Betrachten im Spiegel, Auflisten der
wertgeschätzten körperlichen Eigenschaften usw.) und nicht zuletzt ein
„Anti-Scham-Training“.
Es ist fast immer hilfreich, sich besser zu „spüren“ und so
anzunehmen, wie man nun einmal ist (dafür müssen die Spürpausen
ausreichend lang sein). Vermehrte Bewegung hilft, übermäßige
innerliche Erregung (durch anders noch nicht zu bewältigende Gefühle)
abzubauen. Mit Hilfe von Sport kann beispielhaft geübt werden,
wie man seinen Verhaltens- und Aktionsradius wieder erweitert
(Bewegung im Raum, Kontakterfahrungen, bessere Koordination). Dies lässt
sich auf andere Lebensbereiche (Essen, Beruf) übertragen. Auch wenn
unsere Leistungsgesellschaft dazu verleitet, Sport als
„Kalorienverbrenner“ anzubieten, tut man sich einen größeren
Gefallen, wenn man vielseitige Bewegung als „Wellness-Erfahrung“
genießt und ihr die Möglichkeit sieht, neue
Muster des Umgangs mit sich selbst, der Welt und anderen einzuüben.
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