USA. Da sich meditierende Menschen meist sehr gut konzentrieren und
entspannen können, sind sie oft besonders sensibel und introspektionsfähig.
Diese Eigenschaften wollten R. Bitner und Kollegen im Rahmen einer Studie
nutzen, an der sich 19 erfahrene Meditations-Praktiker beteiligten. Alle
hatten während der letzten zwei Jahre Antidepressiva eingenommen. Die
Untersuchung sollte herausfinden, inwieweit Antidepressiva subtile
psychische Effekte entfalten, die bisherigen Studien entgangen sind.
Da Anhänger
meditativer Praktiken eher selten Arzneimittel befürworten, überraschte
die durchaus positive Bewertung der Antidepressiva-Wirkung. Die
Befragungsteilnehmer berichteten, dass sie unter der Einwirkung von
Antidepressiva vorteilhafte emotionale, motivierende und kognitive Effekte
verspürten. Wider Erwarten wirken sich Antidepressiva nicht störend auf
das Meditieren aus, das Gegenteil war der Fall. Als Novität stellte sich
heraus, dass Antidepressiva offenbar auch als Gleichmut fördernd erlebt
wurden. Die mit Gleichmut beschriebene Fähigkeit, trotz massiv
stimulierender und provokativer Reize ruhig zu bleiben, bewerten die
Autoren sehr hoch. Nach ihrer Ansicht trägt sie wesentlich dazu bei, dass
sich Antidepressiva immer weitere Anwendungsgebiete erschließen.
Bitner und
Mitarbeiter betonen, dass Gleichmut nicht mit Gleichgültigkeit oder
Apathie verwechselt werden darf. Am ehesten findet sich Gleichmut noch im
Konzept der „Affekttoleranz“ wider. In manchen Weltanschauungen gilt
Gleichmut als elementar zur Erreichung von Reife, innerem Friedens und
Wohlbefinden. Die Autoren erwägen, dass Serotonin die Herbeiführung von
Gleichmut fördert, indem es überschießende Affekte dämpft bzw. (ähnlich
einer inneren Polizei) diese im Rahmen hält. So erklärt sich
möglicherweise, warum viele Anwender von SSRI eine gelassenere Haltung
einnehmen können.
In ihrem Resümee
regen Bitner und Mitarbeiter an, Meditations-Praktiker als besonders
sensible Tester in die Antidepressiva-Forschung einzubeziehen. Aufgrund
ihrer Befragungsergebnisse vermuten sie, dass Meditation eine hilfreiche
Methode sein könnte, die mit Antidepressiva erzielten Effekte dauerhaft zu
stabilisieren.
R. Bitner u. a.: Subjective effects of antidepressants. A Pilot study of
the varieties of antidepressant-induced experiences in meditators.
J. Nerv. Ment. Dis. 2003 (191)
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