Großbritannien. Was für viele Arzneimittel gilt, dürfte
auch auf Antidepressiva häufig zutreffen: Die Einnahme-Compliance beträgt
mitunter nur 50 Prozent. Bislang glaubte man, dieses Problem allein schon
durch eine verbesserte (aber einseitige!) Information der Betroffenen
lösen zu können. Weitaus sinnvoller dürfte es sein, die Vorstellungen der
Patienten zu erfragen und weitere Informationen auf deren Weltbild
abzustimmen. Dabei reicht es keineswegs, die Einstellungen der Kranken zu
Beginn der Behandlung zu ermitteln. Wie eine Untersuchung von J. Grime und
K. Pollock illustriert, wandeln sich die Vorstellungen in dem Maße, wie
der Patient neue Erfahrungen macht – insbesondere auch mit seinem
Medikament. Die Autoren vermuten, dass sich die Einstellungen von
Patienten zu ihrer Behandlung weitaus stärker auf die Compliance auswirken
als die möglichen Nebenwirkungen eines Antidepressivums.
Grime und Pollock
hatten 32 ambulant behandelte Patienten mit einer leichten bis mittel
schweren Depression wiederholt eingehend in deren Wohnung interviewt. Ein
besonderes Interesse galt dem Umgang mit Antidepressiva. Dabei zeigte sich
u. a., dass nicht jeder Einnahme-Stopp gleich als „Non-Compliance“
gewertet werden sollte. Einige Patienten „experimentieren“ regelrecht, um
herauszufinden, ob sie nicht schon ohne die Medikamente auskommen können.
In einem solchen Vorgehen kann man auch das Bemühen sehen, schrittweise
wieder selbst den Genesungsprozess unter Kontrolle zu bekommen.
Und noch ein weiteres
Ergebnis macht nachdenklich: Viele Patienten befürchten im Lauf der
Behandlung offenbar weniger, dass sie körperlich von ihrem Antidepressivum
abhängig werden könnten. Ihre Sorge betrifft eher die Gefahr einer
psychischen Abhängigkeit. Zu ihrer Angst dürften kulturelle Einstellungen
beitragen, wonach fast jede Medikamenteneinnahme als unerwünscht und als
Ausdruck von Schwäche gilt. Grime und Pollock raten, diese Themen schon
frühzeitig mit dem Patienten zu erörtern und so zu entschärfen.
J.
Grime u. a.: Patients´ ambivalence about taking antidepressants: a
qualitative study. The Pharmaceutical Journal 2003 (271) 516-519 |