USA. Für den Behandlungserfolg
depressiver Menschen scheint es nicht unbedingt auf die persönliche
Anwesenheit des Therapeuten anzukommen. Den Ergebnissen einer Studie von
P. E. Ruskin und Mitarbeitern zufolge reicht es aus, wenn Arzt und Klient
über ein Bildschirmsystem miteinander kommunizieren. In der randomisierten
kontrollierten Studie an 119 depressiven und überwiegend männlichen
Patienten (Durchschnittsalter: 50 Jahre) waren die Erfolge des
konventionellen und des telepsychiatrischen Vorgehens vergleichbar
(beurteilt mit Hilfe zahlreicher Messinstrumente). „Telepsychiatrie“ hat
den Vorteil, den Beteiligten lange Anreisen zu ersparen und auch solche
Personen zu erreichen, die aufgrund von Alter und Behinderung in ihrer
Mobilität beeinträchtigt sind. Aufgrund der eingesparten Transferzeiten
können mehr Patienten behandelt werden und arbeitet das Gesundheitswesen
effizienter.
Die von der Studie vorgegebene
Behandlung umfasste in beiden Gruppen insgesamt acht 20-minütige
Sitzungen, die in den Wochen 0, 1, 3, 7, 11, 15, 19 und 26 erfolgten.
Inhalte der Sitzungen waren der Umgang mit Antidepressiva, Psychoedukation
und unterstützende Kurzberatungen. Alle Teilnehmer tauschten sich
anlässlich jeder Sitzung mit einem Forschungsassistenten aus. Die
Behandlungen (auch die telepsychiatrischen) erfolgten jeweils in dem
Krankenhaus, das der Patient zur Erstkonsultation aufgesucht hatte. Unter
diesem Vorgehen verbesserte sich in beiden Gruppen signifikant (p < 0,001)
der mit der 24-teiligen Hamilton-Skala erhobene Score. In der
telepsychiatrischen Gruppe zeigten 49 Prozent und in der konventionell
behandelten Gruppe 43 Prozent eine eindeutige Therapieresponse (mehr als
50-prozentige Scoreabnahme). Compliance und Zufriedenheit mit der
Behandlung waren in beiden Gruppen vergleichbar, während die Behandler den
persönlichen Kontakt etwas favorisierten.
Nach Ansicht der Autoren ist ihre
randomisierte kontrollierte Studie die erste größere Untersuchung des
Effekts von Telepsychiatrie auf depressive Patienten. Sie räumen mehrere
mögliche Kritikpunkte ein, wie zum Beispiel das Überwiegen des technisch
vermutlich stärker interessierten männlichen Geschlechts und der reale
Kontakt der Telepsychiatriepatienten zum Forschungsassistenten (der den
„Teleeffekt“ möglicherweise verwässerte). Andererseits geben sie zu
bedenken, dass der „Komfortvorteil“ von Telepsychiatrie kaum zum Tragen
kam, weil alle Behandlungen in Krankenhäusern erfolgten. Bei einer
Behandlung im häuslichen Milieu wären die Telepsychiatriepatienten
möglicherweise noch zufriedener gewesen.
P. E. Ruskin et al.: Treatment
outcomes in depression: comparison of remote treatment through
telepsychiatry to in-person-treatment. Am. J.
Psychiatry 2004 (161) 1471-1476 |