von Dipl.-Sportl.
Dr. med. Gregory Janshoff (Arzt) u. Dipl.-Sportl. Petra Janshoff, Köln
Wer sich „hängen lässt“ oder sich durch die Gegend
„schleppt“, dessen Stimmung sinkt allein schon durch das
beschriebene Bewegungsverhalten (weiter). Umgekehrt sind Traben, Hüpfen
und andere locker(nd)e Bewegungen kaum mit Schwermut vereinbar. Solche für
jeden zugängliche Alltagserfahrungen verdeutlichen, wie sehr Stimmung
und Bewegung wechselseitig miteinander verwoben sind. Ähnliches gilt für
unsere Sprache, die von entsprechenden Bildern fast überquillt (Rückgrat
stärken, Haltung bewahren, Standfestigkeit gewinnen). Auch
Ausdauersportler berichten seit langem immer wieder darüber, dass sie
in ein Stimmungshoch geraten. Wissenschaftlich führt man dieses Phänomen
auf eine vermehrte Freisetzung von Endorphinen zurück. So verwundert es
nicht, dass die Bewegungstherapie immer mehr als „Begleitmaßnahme“
in die Depressionsbehandlung Eingang findet (bislang leider weitgehend
nur stationär). Eine wachsende Zahl einschlägiger Studien dürfte dazu
beigetragen haben, dass in Deutschland unlängst erstmalig sogar
„Richtlinien“ zur „Bewegungs- und Sporttherapie bei depressiven
Erkrankungen“ erarbeitet und publiziert wurden (1).
Depressiven
Menschen eröffnen Bewegungsangebote Möglichkeiten, Gefühle von
Schwere, innerer Leere, Abgestorben sein, Isolation und Hilflosigkeit
auf nicht verbalem Weg und damit oft verhältnismäßig leichter zu überwinden.
So verringert Bewegung das Erleben von Schwere und verhilft sie bei ausreichend
langem Training unweigerlich zu Erfolgserlebnissen. Denn die spür- und
messbare Leistungsverbesserung lässt den Depressiven erleben, dass er
etwas an seinem Körper und damit in seinem Dasein bewirken kann. Dies fördert
das (meist schwache) Selbst(wert)gefühl und verringert Gefühle von
Hilflosigkeit und Ohnmacht. Die in ihrem Vertrauen auf die Verlässlichkeit
anderer oft erschütterten Patienten können zumindest zum eigenen Körper
Vertrauen aufbauen und erleben, dass sie sich auf diesen jedenfalls
verlassen können. Das Bewegen in der Gemeinschaft wirkt der (oft auch
faktisch vorhandenen) Isolation entgegen und erhöht die
Wahrscheinlichkeit, dass positive Affekte anderer „anstecken“ (z.B.
bei Ballspielen). Zugleich wird die Sozialkompetenz geschult. Indem sich
der Patient bewegt, verlässt er die bei Depressiven häufig zu
beobachtende „Opferrolle“.
Ähnlich wie bei der
medikamentösen (also klassischen) Depressionsbehandlung stellt sich bei
der Bewegungstherapie die Schwierigkeit, den Patienten überhaupt zur
Mitarbeit zu gewinnen und seine Compliance ausreichend lang zu gewährleisten.
Hier muss der Therapeut den Patienten gleichsam „energetisieren“
bzw. ihm stellvertretend motivierende (= bewegende) Ich-Funktionen zur
Verfügung stellen. Diese „Katalysatorfunktion“ ist solange
erforderlich, bis günstigere Funktions- und Erlebensweisen des
Patienten „in Gang kommen“. Eine
solche Aufgabe ist oft sehr anstrengend und ruft im Therapeuten mitunter
vergleichbare Gefühle wie im Patienten hervor (projektive
Identifikation). Die Einladung des Patienten, sich zu bewegen, knüpft
an basalere Fähigkeiten an als beispielsweise verbale Therapien. Daher
ist die vom Patienten zu nehmende Hürde im Falle der Bewegungstherapie
möglicherweise niedriger. Sobald der Patient erste angenehme Veränderungen
spürt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er die Therapie zunehmend
aus eigener Motivation fortführt.
Ähnlich wie bei den
klassischen Formen der Depressionstherapie gilt auch für die
Bewegungstherapie, dass sie keineswegs für alle Patienten ein
Universalheilmittel ist. Auch hier müssen Kontraindikationen sorgfältig
ausgeschlossen werden (z.B. durch eine Sporttauglichkeitsuntersuchung).
Ansonsten sind Bewegungstherapeuten gefordert, ihre Angebote den Möglichkeiten
des Patienten anzupassen. „Kleine Formen“ der Bewegungstherapie
stehen jedem Depressionstherapeuten zur Verfügung: Warum sollte man
beispielsweise nicht therapeutische Gespräche mit einem
„aktivierenden“ Spaziergang verbinden?
(1) Richtlinien des
Deutschen Sportärztebundes „Bewegungs- und Sporttherapie bei
depressiven Erkrankungen“. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 1999
(50) 109-112
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