Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Grundsätzliches zur Bewegungstherapie bei Depression


von Dipl.-Sportl. Dr. med. Gregory Janshoff (Arzt) u. Dipl.-Sportl. Petra Janshoff, Köln

      Wer sich „hängen lässt“ oder sich durch die Gegend „schleppt“, dessen Stimmung sinkt allein schon durch das beschriebene Bewegungsverhalten (weiter). Umgekehrt sind Traben, Hüpfen und andere locker(nd)e Bewegungen kaum mit Schwermut vereinbar. Solche für jeden zugängliche Alltagserfahrungen verdeutlichen, wie sehr Stimmung und Bewegung wechselseitig miteinander verwoben sind. Ähnliches gilt für unsere Sprache, die von entsprechenden Bildern fast überquillt (Rückgrat stärken, Haltung bewahren, Standfestigkeit gewinnen). Auch Ausdauersportler berichten seit langem immer wieder darüber, dass sie in ein Stimmungshoch geraten. Wissenschaftlich führt man dieses Phänomen auf eine vermehrte Freisetzung von Endorphinen zurück. So verwundert es nicht, dass die Bewegungstherapie immer mehr als „Begleitmaßnahme“ in die Depressionsbehandlung Eingang findet (bislang leider weitgehend nur stationär). Eine wachsende Zahl einschlägiger Studien dürfte dazu beigetragen haben, dass in Deutschland unlängst erstmalig sogar „Richtlinien“ zur „Bewegungs- und Sporttherapie bei depressiven Erkrankungen“ erarbeitet und publiziert wurden (1).

    
Depressiven Menschen eröffnen Bewegungsangebote Möglichkeiten, Gefühle von Schwere, innerer Leere, Abgestorben sein, Isolation und Hilflosigkeit auf nicht verbalem Weg und damit oft verhältnismäßig leichter zu überwinden. So verringert Bewegung das Erleben von Schwere und verhilft sie bei ausreichend langem Training unweigerlich zu Erfolgserlebnissen. Denn die spür- und messbare Leistungsverbesserung lässt den Depressiven erleben, dass er etwas an seinem Körper und damit in seinem Dasein bewirken kann. Dies fördert das (meist schwache) Selbst(wert)gefühl und verringert Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht. Die in ihrem Vertrauen auf die Verlässlichkeit anderer oft erschütterten Patienten können zumindest zum eigenen Körper Vertrauen aufbauen und erleben, dass sie sich auf diesen jedenfalls verlassen können. Das Bewegen in der Gemeinschaft wirkt der (oft auch faktisch vorhandenen) Isolation entgegen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass positive Affekte anderer „anstecken“ (z.B. bei Ballspielen). Zugleich wird die Sozialkompetenz geschult. Indem sich der Patient bewegt, verlässt er die bei Depressiven häufig zu beobachtende „Opferrolle“.

      Ähnlich wie bei der medikamentösen (also klassischen) Depressionsbehandlung stellt sich bei der Bewegungstherapie die Schwierigkeit, den Patienten überhaupt zur Mitarbeit zu gewinnen und seine Compliance ausreichend lang zu gewährleisten. Hier muss der Therapeut den Patienten gleichsam „energetisieren“ bzw. ihm stellvertretend motivierende (= bewegende) Ich-Funktionen zur Verfügung stellen. Diese „Katalysatorfunktion“ ist solange erforderlich, bis günstigere Funktions- und Erlebensweisen des Patienten „in Gang kommen“. Eine solche Aufgabe ist oft sehr anstrengend und ruft im Therapeuten mitunter vergleichbare Gefühle wie im Patienten hervor (projektive Identifikation). Die Einladung des Patienten, sich zu bewegen, knüpft an basalere Fähigkeiten an als beispielsweise verbale Therapien. Daher ist die vom Patienten zu nehmende Hürde im Falle der Bewegungstherapie möglicherweise niedriger. Sobald der Patient erste angenehme Veränderungen spürt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er die Therapie zunehmend aus eigener Motivation fortführt.

    Ähnlich wie bei den klassischen Formen der Depressionstherapie gilt auch für die Bewegungstherapie, dass sie keineswegs für alle Patienten ein Universalheilmittel ist. Auch hier müssen Kontraindikationen sorgfältig ausgeschlossen werden (z.B. durch eine Sporttauglichkeitsuntersuchung). Ansonsten sind Bewegungstherapeuten gefordert, ihre Angebote den Möglichkeiten des Patienten anzupassen. „Kleine Formen“ der Bewegungstherapie stehen jedem Depressionstherapeuten zur Verfügung: Warum sollte man beispielsweise nicht therapeutische Gespräche mit einem „aktivierenden“ Spaziergang verbinden?

(1) Richtlinien des Deutschen Sportärztebundes „Bewegungs- und Sporttherapie bei depressiven Erkrankungen“. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 1999 (50) 109-112