Therapeutische
Hilfe wird besonders dann gesucht, wenn es zu einem
Entwicklungsstillstand („toten Punkt“) gekommen ist, unter dem der
Betreffende leidet. Vielleicht fehlt etwas („Grundmangel“), möglicherweise
weil die Eltern das Fehlende nicht gefördert haben. Menschen suchen meist
dann eine Therapie auf, wenn sie unter einer massiven Einschränkung ihrer
Möglichkeiten leiden und sie sich in bestimmten Bereichen ihres Lebens
„spontan“ anders verhalten wollen, als sie es zur Zeit durch ihr
„neurotisches Verhalten“ vermögen. Zu den häufigsten inneren Konflikten, die
zu einer Therapie Anlass geben, gehören folgende Themen: „Urvertrauen kontra
Urmisstrauen“ („orale“ Thematik), „Autonomie kontra Scham und Zweifel“
(„anale“ Thematik) und „Initiative kontra Schuldgefühl“ („phallische“
Thematik), „Individuation kontra Wunsch nach Nähe“.
Oft sind
„Beziehungskiller“ am Werk (wie Angst, Abhängigkeit, Zwang und
Besitzdenken). Die therapeutische Zusammenarbeit zielt dann darauf ab, einen
Mangel an Rückmeldungen auszugleichen und so die Entwicklung wieder in
Gang zu bringen. Dabei geht es keineswegs um das „Reparieren eines
Defektes“. Mitunter erschöpfen sich die psychotherapeutischen Möglichkeiten
auch darin, in einer Situation der Hoffnungslosigkeit überleben zu lernen.
Psychotherapie bietet nichts Außergewöhnliches an (vergleichbar mit
technisch oder chemisch hoch komplizierten Verfahren), sondern gerade das
Selbstverständlichste und Natürlichste menschlicher Kultur, wie Gespräche,
menschliche Beziehung, Malen, Musik, Bewegung usw.
Es ist
keineswegs immer nötig, mit den psychotherapeutischen Fragen in der
frühesten Kindheit anzusetzen, da oft in der jüngeren Vergangenheit bzw.
im hier und jetzt weitaus wichtigere Probleme und Ereignisse angesiedelt
sind. Wer in der Kindheit forscht, wird immer etwas finden oder erfinden. Zu
viel Verweilen in der Vergangenheit (die es ja nicht mehr gibt!), hält zudem
davon ab, in der Gegenwart zu leben. „Ursachenforschung“ ist selten
produktiv, da der Forschende damit meist nur seine eigene Verantwortung für
jetzt anstehende Veränderungen abwälzen will. Außerdem hatte man auch in der
Vergangenheit meist selbst Verantwortung: Wer sich einem anderen anpasste,
weil dieser es befahl oder einfach nur wollte, handelte so, um sich die
Beziehung zu dem anderen zu erhalten. Es ist eine Illusion zu
glauben, es gebe ein Leben ohne Verletzungen („Traumata“). Solche
Ereignisse müssen nichts zwangsläufig negativ bewertet werden, da sie
durchaus wichtige Entwicklungsreize (Hinweise, Botschaften) liefern können.
Erst wenn eine entsprechende Entwicklung ausbleibt, kommt es zur
„Katastrophe“.
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