Zu den wichtigsten Einsichten in meiner therapeutischen Arbeit und meiner
eigenen persönlichen Entwicklung gehörte die Erkenntnis, dass unser
Verstand nur eine Teilrolle in unserem Leben spielt. Viele Menschen sind
angesichts eines Gefühls in der Lage, zu pausieren und sich zu fragen, ob
sie dem betreffenden Gefühl jetzt folgen wollen. Dagegen gelingt es eher
wenigen Menschen, sich in vergleichbarer Weise gegenüber Äußerungen ihres
Verstandes (Gedanken) zu distanzieren und diese gegebenenfalls sogar
infrage zu stellen. Das liegt vermutlich daran, dass die meisten Menschen
unterstellen „Ich bin es doch, der dies denkt. Warum sollte ich also daran
zweifeln?“ Und genau diesen Gedanken möchten die folgenden Ausführungen
nachhaltig erschüttern. Die Aussicht, dem eigenen Verstand nicht
vorbehaltlos trauen zu können, mag schon jetzt viele Leser massiv
verunsichern und „sicherheitshalber“ zum Beiseitelegen dieses Textes
motivieren. Schade, wenn dem so wäre. Denn ein vorsichtigerer Umgang mit
dem Verstand (bzw. dem „Denken“) führt keineswegs zur Verblödung, sondern
macht vor allem freier und nicht zuletzt lebenstüchtiger. Keine Sorge: Die
weiteren Überlegungen wollen den Verstand keineswegs verteufeln (Denn er
ist sehr wohl oft ein SEHR wichtiger Helfer!) oder gar Sie zu einem
Verhalten ohne jeglichen Verstand motivieren. Es geht lediglich darum, an
seinem vor allem in westlichen Kulturen verbreiteten Monopol zu rütteln
und ihm eine weniger dominante Rolle in unserem Leben zuzuweisen. Dabei
wird es dann auch darum gehen, vielen oft vernachlässigten Aspekten
unseres Daseins (wie insbesondere den Gefühlen) zu mehr Bedeutung zu
verhelfen (engl. „Loose your mind and come to your senses“) bzw. wieder
ganzheitlicher zu leben.
Sie haben weiter gelesen? Dann sind Sie
offenbar bereit sich vorzustellen, dass Sie (a) weitaus mehr sind als Ihr
Verstand und (b) dass die meisten Ihrer Gedanken gar nicht von Ihnen
selbst stammen, sondern von anderen längst vorgedacht und von Ihnen
lediglich durch „Lernen“ übernommen wurden. Wir alle sind bei genauerem
Hinsehen vollgestopft von „Glaubenssätzen“ (Grundannahmen) über das
Funktionieren der Welt und unsere Rolle in dieser („Ohne Fleiß, kein
Preis.“ „Ich bin, was ich leiste.“ „Ordnung ist das halbe Leben.“).
Wenn wir diese nachplappern und uns selbst und anderen weiter erzählen,
verhalten wir uns nicht viel anders als ein Papagei. Unser
„Bildungssystem“ fördert solche Verhaltensweisen, wenn es besonderen Wert
darauf legt, dass wir „Wissen speichern“ und dieses „reproduzieren“. Noch
immer fragen viele Prüfungen genau diesen Mechanismus ab und belohnen vor
allem diejenigen, die das auswendig gelernte Wissen (Glaubenssätze) am
besten wiedergeben können. Dass unsere Gedanken („Glaubenssätze“) uns
keineswegs nur gut tun, ahnen Sie anscheinend bereits selbst, sonst hätten
Sie diesen Text vermutlich gar nicht bis hierher gelesen. Denn viele
Gedanken machen uns das Leben sogar regelrecht schwer, etwa in der Form
von „Das kannst du nicht.“ „Du bist ein Versager“. „Keiner will dich.“
„Aus diesem Loch kannst du nicht rauskommen.“ „Was sollen die anderen
denken?“ „Du müsstest eigentlich…“ „Ich habe mein Leben vergeudet.“ „Warte
lieber ab“ „Wenn es mir besser geht, werde ich ein neues Leben anfangen.“
usw. Mancher Leser wird auch schon schmerzhaft erlebt haben, dass
viele schöne Momente durch das „Dazwischenreden“ des Verstandes ihren
Zauber und Reiz verloren. So kann ein Witwer, der gerade einen
wunderschönen Sonnenuntergang beobachtet, durch folgenden Gedanken in
seinem Erleben beeinträchtig werden „Du bist ein schlechter Mensch. Wie
sonst kannst du dich jetzt schon an Dingen erfreuen, wenn deine Frau erst
vor drei Monaten gestorben ist.“ Nicht selten kommt es auch vor, dass
selbst bei intimen Begegnungen zweier Menschen (also insbesondere in der
Sexualität) zu vieles Denken das Fühlen erschwert, ja sogar die Ursache
von Impotenz sein kann („Mache ich es richtig?“ „Was denkt sie/er jetzt
wohl von mir?“ „Verhalte ich mich männlich genug?“ „Ich muss meinen Bauch
einziehen“ „Rieche ich angenehm genug?“ „Ob er/sie jetzt von mir
erwartet…?“)
Wichtiger Tipp: Notieren Sie vor dem
Weiterlesen im Folgenden selbst, wenigstens drei Gedanken, die Sie schon
wiederholt von einem fröhlich-gelassenen Leben abgehalten haben:
Weil wir davon ausgehen, dass unser Verstand
an sich so klug und hilfreich ist, kommen wir gar nicht mehr auf die Idee,
die Leistungen und Möglichkeiten des Verstandes an sich überhaupt noch zu
bezweifeln. Wir Menschen sind in der Lage, mit Hilfe von Sprache die
Wirklichkeit zu beschreiben und mit ihr „geistig zu spielen“ (also
beispielsweise Vorhersagen zu machen). Da wir uns besonders gern in dieser
Gedankenwelt aufhalten, laufen wir ständig (!!!) Gefahr, unsere
gedanklichen Vorstellungen mit der eigentlichen Wirklichkeit zu
verwechseln. So kommt es, dass unzählige Menschen allein unter ihren
gedanklichen (!) ERWARTUNGEN massiv leiden („Das werde ich nicht
schaffen.“ „Wenn ich dorthin gehe, wird man mich auslachen“). Vielen
wäre allein schon damit geholfen, wenn sich die Betreffenden immer und
immer wieder sagen würden „Das ist nur ein Gedanke“ (ergänzt durch:
„Mal sehen, wie es in der Wirklichkeit tatsächlich ablaufen wird.“).
Leider geben sehr viele Menschen dann von vornherein der Wirklichkeit
keine Chance mehr, sie von einem anderen Ablauf zu überzeugen. Sie hören
lieber auf ihre Gedanken (den „Verstand“) und schrecken von Erprobungen
zurück. Sie sind nicht mehr „erlebnisbereit“ bzw. „erlebnisoffen“. Da
unser Gehirn vor allem durch emotional vermittelte Erfahrung lernt,
braucht ein solcher Verstand nie mehr umzulernen, da ihm neue
(korrigierende) Erfahrungen von vornherein verwehrt bleiben.
Zum Leid der Betroffenen kommt erschwerend
hinzu, dass der Verstand bzw. das Denken (leider?) keine Pause kennt.
Sogar in der Nacht (z.B. in Form von Träumen) oder während des Tages in
Form ständigen Grübelns wird ständig weiter gedacht. Selbst in vielen
Momenten der Ruhe und Entspannung „schießen“ unerwartet immer wieder (oft
störende) Gedanken ein (Beispiele: „Statt hier zu sitzen, solltest du
lieber…“ „Was wird deine Mutter denken, wenn Sie dich hier so sitzen
sieht?“).
Angesichts solcher Erfahrungen ist es
vielleicht gar nicht mehr so schwierig, sich vorzustellen, dass das Denken
(unser Verstand) ein in uns pausenlos ablaufender (autonomer) Prozess ist.
Er arbeitet ähnlich wie unsere Körperdrüsen, die kontinuierliche Säfte
produzieren oder wie das Herz, das pausenlos Blut pumpt. In dieser
durchaus vertretbaren Betrachtungsweise nimmt das Denken dann nicht mehr
den „dominierenden“ und allem anderen übergeordneten Platz in unserem
Leben ein. Es ist genau so hilfreich, sinnvoll und unverzichtbar (!) wie
unsere Drüsen und unser Herz, es ist aber nicht mehr der alleinige
Diktator, sondern ein gleichberechtigtes Teammitglied unter vielen. Um
diese Sichtweise zu veranschaulichen sitzt in meinem Praxisraum ein „Pagaguhn“,
das unser Denken symbolisieren soll (Papaguhn ist eine Wortkombination aus
PAPAGei = Nachschwätzen und hUHN = Gackern) . Das „Papaguhn“ gackert
pausenlos, wobei es bevorzugt, alte ihm antrainierte Sprüche (wie ein
Papagei) wiederholt. Mitunter passt ein solcher Spruch und ist dann
hilfreich, aber viel häufiger kommen die Sprüche auch zur Unzeit und in
völligem unpassendem Zusammenhang. Interessanterweise wird wohl kaum ein
Papageibesitzer sich von seinem Papagei beherrschen lassen (notfalls wird
der Käfig mit einem Tuch zugehängt und der Vogel zum Verstummen gebracht).
So wie man an einem prächtigen Papagei und seinen Sprüchen Freude haben
kann, so sollte man vielleicht auch den eigenen Verstand interessiert und
stolz betrachten. Außerdem kann man jederzeit dem Papagei hilfreichere
Sprüche beibringen, so dass man dann im Alltag häufiger an Wichtiges
erinnert wird (siehe dazu das Merkblatt über Affirmationen). Leider
vergessen viele Menschen im Alltag, dass ihr Verstand Ähnlichkeiten mit
einem „Pagaguhn“ aufweist. Sie lassen sich dann von dessen Mitteilungen
beherrschen, auch wenn sie darunter noch so stark leiden. In diesem
Zusammenhang kann auch ein Inventar der bisherigen Glaubenssätze
(Grundannahmen) bzw. „automatischen Gedanken“ hilfreich sein.
Wem diese Informationen noch nicht genügen, um
die nötige Distanz zum inneren „Pagaguhn“ aufzubauen, der kann mit Hilfe
von Meditation erlernen, wie man seine Gedanken von außen betrachten
lernt. Dies wird oft durch die Vorstellung erleichtert, dass man sich die
Gedanken wie Wolken vorstellt, die man im Gras liegend betrachtet, während
sie kommen und gehen (ohne dass man auf den Inhalt der Gedanken
einsteigt). Man nimmt sie wahr, ohne sie zu bewerten oder zu verwerten und
lässt sie weiterziehen.
Auch die Lektüre des am Ende des Textes
erwähnten Arbeitsbuches „In Abstand zur inneren Gedankenmaschine“ bzw. die
hinter diesem Buch stehende Acceptance-und-Commitment-Therapie beschreibt
eine Fülle nützlicher Techniken, um sich nicht länger einseitig vom
Verstand bzw. Denken vereinnahmen zu lassen. Hier sind einige Beispiele,
die Sie gerne einmal ausprobieren können:
1)
Schreiben Sie einen belastenden
Gedanken auf ein Stück Papier und legen Sie dieses in einer Ecke ab.
Spüren Sie in sich hinein, wie es sich für Sie anfühlt, einen Gedanken auf
diese Weise loszuwerden und ihn allenfalls aus der Ferne zu betrachten.
2)
Sprechen Sie den Gedanken laut
und so schnell wie möglich 100mal bzw. mindestens eine Minute lang aus.
Achten Sie darauf, wie sich der Gedanke nach einiger Zeit anhört und
anfühlt, während Sie ihn immer noch ganz schnell aussprechen.
3)
Probieren Sie aus, wie sich der
Gedanke in Ihrem Erleben verändert, wenn Sie ihn auf verschiedene Art und
Weise laut aussprechen (z.B. als dramatischen Gesang, als heimliches
Geflüster, als albernes Gekichere, mit ständig schwankender Tonlage usw.).
Sie werden dabei wahrscheinlich erleben, wie
zunehmend fremder und unpersönlicher Ihnen der betreffende Gedanke
vorkommt, so dass Sie sich immer leichter davon distanzieren können.
Bitte berücksichtigen Sie, dass Sprache (auf
der unser Denken überwiegend beruht) nur ein Hilfsinstrument ist, das uns
Vorhersagen und das geistige „Ausprobieren“ erleichtern soll. Sprache kann
NIEMALS die Wirklichkeit auch nur einigermaßen korrekt „abbilden“. Das
klingt z.B. in der Volksweisheit an „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“.
Denken und Sprache wollen uns helfen, in der Unübersichtlichkeit und
Unberechenbarkeit der Realität (also ihrer Komplexität) „Ordnung“ zu
entdecken und damit etwas Sicherheit zu erleben. Lücken in unserer
Wahrnehmung füllt unser Verstand daher fast immer so aus, dass das
Ergebnis zu unseren Erwartungen passt. Für Phänomene, die wir mangels
Wissen nicht erklären können, erfindet der Verstand notfalls eine
Geschichte, die das Ganze für uns und unsere Umwelt stimmig erscheinen
lässt.
Um dies zu veranschaulichen spiele ich in
meiner Praxis gerne den Bericht von einem dokumentierten
Hypnose-Experiment vor. Dabei hatte man einer Person in Hypnose
suggeriert, sie solle beim Abendessen am gleichen Tag einen Stuhl auf den
Tisch stellen. Anschließend suggerierte man ihr, dass sie sich nicht
bewusst sein sollte, diesen Befehl erhalten zu haben. Beim Aufwachen aus
der Hypnose berichtete der Versuchsleiter bedauernd, dass die Hypnose
misslungen sei und dass man sie vielleicht bei Gelegenheit wiederholen
würde. Beim anschließenden Abendessen war zu beobachten, wie die
betreffende Person unruhig auf dem Stuhl schaukelte und dann zu den
anderen Anwesenden sagte: „Es tut mir leid, aber irgendetwas
mit dem Stuhl stimmt nicht. Ich muss einmal aufstehen und nachsehen, ob
mit den Stuhlbeinen etwas nicht stimmt.“ Daraufhin nahm die Testperson
den Stuhl, stellte ihn auf den Tisch, begutachtete ihn, fand nichts und
stellte ihn wieder auf den Boden. Ab dann verhielt sich die Versuchsperson
normal wie alle anderen. Um es nochmals zu betonen: Das beschriebene
Experiment ist genau so abgelaufen, wie es hier skizziert wurde! Fazit: Um
dem suggerierten und zugleich unsinnig erscheinenden Handlungsimpuls in
der Öffentlichkeit nachgeben zu können, erfand der Verstand eine
Erklärung, die für alle Beteiligten plausibel war, die aber mit den realen
Gegebenheiten, nämlich dem hypnotischen Befehl, absolut nichts zu tun
hatte. Vermutlich bietet uns unser Verstand solche Erfindungen häufiger
an, als uns lieb ist.
Von Curt Fredrikson übernehme ich gerne das
Bild, dass der Verstand den Stützrädern an einem Kinderfahrrad gleicht.
Diese erleichtern es dem Kind, das Fahrradfahren zu erlernen. Im
übertragenen Sinn würde das bedeuten, dass der Verstand uns darin
unterstützt, im Chaos der Welt besser zurechtzukommen. So wie ein Kind
zunehmend unabhängiger von den Stützrädern wird, sollten auch Erwachsene
unabhängiger von den ständigen Einflüsterungen des Denkens werden.
Fredrikson weist zudem darauf hin, dass uns der Verstand oft den Blick auf
die Realität verstellt, indem er uns an Ideale glauben lässt. Letztere
verhindern, dass wir die Realität annehmen so, wie sie ist, und dass wir
an den Unterschieden zwischen Ideal und Realität (unnötig!) leiden. Nach
Ansicht Fredriksons fördern Ideale eine „Trance“, die das Bewusstsein
lähmt. Ideale seien die „Schlachtbank der Realität“ und glichen einem
Leuchtturm, an dessen Fundament unzählige Schiffe zerschellen, weil ihre
Kapitäne nicht begriffen haben, dass ein Leuchtturm niemals das Ziel der
Reise ist.
Nicht zuletzt hat auch die Arbeit der
Amerikanerin Byron Katie vielen Menschen geholfen, anders mit ihren
Gedanken umzugehen und diese insbesondere nicht länger mit der
Wirklichkeit zu verwechseln. Die Autorin lädt ihre Klienten zuerst dazu
ein, einen Gedanken über jemand anderen aufzuschreiben, der dem Klienten
„Stress“ bereitet (z.B. „Mein Freund liebt mich nicht mehr.“).
Nachdem der Gedanke aufgeschrieben ist, lässt Byron Katie ihn anhand von
folgenden vier Fragen konsequent durchprüfen:
-
Ist das wahr?
-
Weißt du mit absoluter Sicherheit, dass dies
wahr ist?
-
Wie reagierst auf diesen Gedanken, wenn du
annimmst, er sei wahr?
-
Wer wärest du bzw. wie wäre dein Leben, wenn
es diesen Gedanken in dir nicht geben würde?
Die meisten Betroffenen merken schon beim
Durcharbeiten („The Work“) dieser Fragen, auf welch wackeligen Beinen ihr
(gedachtes) Unglück steht. Zusätzlich zu den vier Fragen lädt Katie Byron
meist noch zu einer „Umkehrung“ des Stress erzeugenden Gedankens ein.
Dabei wird zum einen der Inhalt umgekehrt, zum anderen der Bezug der
Personen. Aus „Mein Freund liebt mich nicht mehr“ wird dann
beispielsweise „Mein Freund liebt mich“ bzw. „Ich liebe meinen
Freund nicht mehr“ bzw. „Ich liebe mich selbst nicht mehr“. Zu
jedem der Umkehrsätze sollen außerdem möglichst immer mindestens drei
Beispiele gefunden werden, die den Satz bestätigen. Auf diese Weise
gelingt es der Autorin meist, den ursprünglichen Stress erzeugenden Satz
komplett aufzuweichen und damit neue Sicht- und Erlebnisweisen zuzulassen.
Auch Byron Katie geht davon aus, dass „ES („the mind“) denkt“ und wir bzw.
die Wirklichkeit nicht mit unseren Gedanken gleichzusetzen sind. Nutzen
Sie die Gelegenheit, anhand dieses Vorgehens nun Ihre eigenen belastenden
Gedanken (die Sie hoffentlich oben notiert haben) einmal probehalber
„durchzuprüfen“.
Wer einmal den nötigen Abstand zu seiner
inneren „Gedankenmaschine“ (dem „Papaguhn“) gefunden hat, kann leichter
nachvollziehen, wie uns dieser Dauermechanismus glauben macht, wie die
Welt „ist“ und wie mit ihr umzugehen sei. Dabei ist es dieser innere
Automatismus selbst, der die Vorstellungen „konstruiert“, die wir dann
entweder für die Wirklichkeit selbst halten oder auf die wir so reagieren,
als wären sie die Wirklichkeit. Hilfreiche weitere Beiträge zu hier
skizzierten Thematik liefert der sog. Konstruktivismus, dem ein eigenes
Merkblatt gewidmet ist. Wer sich mehr durch Filme als durch Texte
ansprechen lässt, dem kann ich empfehlen, sich den Film „Matrix“ anzusehen
(erstmalig oder zum wiederholten Male). Dieser Sciencefiction-Film
veranschaulicht, dass wir Menschen eingebettet in unsere gedankliche
Programmierung (die „Matrix“) leben und diese genau so schwer erkennen
können, wie vermutlich der Fisch das Wasser. Diese Gedankenwelt („Matrix“)
ist zum geringsten Teil unsere eigene Schöpfung, was zur Folge hat, dass
wir überwiegend fremd gesteuert leben und wahrnehmen.
Die Tatsache, dass wir unsere Gedanken
betrachten können wie vorbeiziehende Wolken, beweist, dass wir eben
weitaus mehr sind als diese Gedanken bzw. der sog. Verstand. Sonst gäbe es
ja gar nicht die Möglichkeit des Beobachtens dieser Gedanken wie von
außen. Den Beobachter selbst kann man völlig wertungsfrei und ohne
spirituellen Bezug als „Seele“ bezeichnen. Dabei sind die Trennungen
zwischen Körper, Verstand und Seele letztendlich sicher künstlich, da alle
genannten Phänomene immer auch aufeinander bezogen sind. Für meine eigene
Person hilft mir die der Acceptance-und-Commitment-Therapie entliehene
Vorstellung, dass meine Person einem Theatergebäude ähnelt, das den
Gedanken Raum bietet, ihre „Stücke“ zu inszenieren. Art und Inhalt der
Aufführungen bestimmen damit noch lange nicht die Natur des
Theatergebäudes (Sie entscheiden also nicht, wer ich selbst wirklich bin).
Manche Autoren bevorzugen das Bild, dass unsere Person wie ein Gefäß ist,
durch welche das Leben hindurchfließt bzw. welche dem Leben Raum gibt,
sich zu entfalten.
Zusammenfassende Hinweise:
1)
Verwechseln Sie sich nicht mit
Ihrem „Verstand“, Sie sind mehr als dieser, der in seinen Funktionen eher
anderen Organen des Körpers gleicht.
2)
Betrachten Sie wohlwollend die
pausenlosen Vorschläge Ihres Verstandes, ohne sich verpflichtet zu fühlen,
auf alle Einflüsterungen hören zu müssen. Ihr Verstand blickt immer zurück
auf bisherige Erfahrungen, um von diesen auf die Zukunft zu schließen. Ihm
ist nicht bewusst, dass sich einmal gemachte Erfahrungen nicht
wiederholen müssen.
3)
„Schrumpfen“ Sie einen in seiner
Bedeutung möglicherweise wasserkopfartig gewachsenen Verstand auf ein
gesundes Normalmaß und akzeptieren Sie Ihre Gefühle als mindestens
gleichwertige Helfer.
4)
Trainieren Sie sich darin,
Vorgaben Ihres Denkens von der Realität zu unterscheiden, indem Sie diese
konsequent hinterfragen. Erinnern Sie sich bei passender Gelegenheit
mehrfach daran, dass Denken und Wirklichkeit zweierlei sind. Nutzen Sie
dazu die Formel „Das ist nur ein Gedanke“.
5)
Füttern Sie das „Papaguhn“ mit
Gedanken, die für Sie gesundheitsförderlich sind (siehe Merkblatt
Affirmationen). Über kurz oder lang wird Ihr Verstand dann mit anderen
Vorschlägen und Kommentaren aufwarten.
Buch- und CD-Empfehlungen:
1)
Steven C. Hayes / Spencer Smith: In Abstand
zur inneren Wortmaschine. Ein Selbsthilfe- und Therapiebegleitbuch auf der
Grundlage der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). Dgvt Verlag 2007.
rund 300 Seiten im DIN A4-Format. 24 Euro
2)
Byron Katie: Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können.
Goldmann 2002. 384 Seiten. Euro 22,90
als Hörbuch:
Byron Katie: Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können.
Goldmann 2009. Audiobook mit 10 CDs. Euro 24,95
3)
Curt Fredriksson: In mir ist ein tiefes Glück.
Prinzipien des Kriegermanagements. Mankau 2009. 92 Seiten. Euro 19,90
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