Erröten hängt sehr oft mit Erfahrungen von „Scham“ zusammen. Diese können
schon in der Kindheit eingesetzt haben, wenn man sich von anderen
ausgelacht oder verspottet fühlte oder man sich als Versager vorkam. Wenn
dann in einer solchen Situation die Umwelt auch noch mit „Du wirst ja ganz
rot!“ auf das eigene Erröten reagierte, kann die Leidensgeschichte ihren
Anfang genommen haben. Auch die Veranlagung, auf Stress mit einer
gesteigerten Hautdurchblutung zu reagieren, kann eine Rolle spielen.
Erröten kann zudem unbewusst „erlernt“ sein, das heißt, der Körper wurde
darauf „konditioniert“, bei bestimmten äußeren oder inneren Reizen mit
vermehrter Hautdurchblutung zu reagieren. Einen tieferen Sinn muss es für
eine solche Reaktion keineswegs zwingend geben. Erröten ist fast immer ein
Ausdruck vermehrter innerlicher „Erregung“ – und erregt kann man auch aus
angenehmen Gründen sein! Beim „problematischen Erröten“ hat sich meist im
Lauf der Zeit eine reflexhafte Reaktion entwickelt. Schon kleinste
„Auslöserreize“ reichen aus, wozu eigene Gedanken gehören („Jetzt werde
ich bestimmt gleich wieder rot“), um sofort in Gang zu erröten. Damit
ist bereits angedeutet, dass das Erröten selbst am wenigstens
„problematisch“ ist. „Problematisch“ wird es erst durch unsere eigene
Bewertung dieses Vorgangs („Oh je, wie sehe ich jetzt aus?“ Was werden
die anderen denken?“ „Werde ich jetzt bloß gestellt?“). Das Erröten
verstärkt sich, je mehr Sorgen man sich macht und je häufiger man
Situationen zu vermeiden versucht, in denen es zum Erröten kommen kann.
Wie
lässt sich Erröten verhindern?
Die wichtigste Empfehlung
lautet, das Erröten NICHT zu bekämpfen. Schon der Volksmund sagt „Was man
beachtet, das wächst“. Daher sollte man möglichst auch nicht darüber
grübeln oder sich im Vorhinein Sorgen machen. Beides wirkt wie ein
„Mentaltraining“, dass die Neigung zum Erröten unnötig verstärkt. Erröten
ist keine Krankheit, sondern eine harmlose körperliche Reaktion, die sich
(leider) automatisch einstellt und nicht vorbeugend verhindert werden
kann. Erröten wird uns in der Regel erst bewusst, „wenn es bereits
passiert ist“. Wenn wir spüren, dass uns warm wird, sind wir auch schon
dabei „rot anzulaufen“. Erröten unterliegt also nicht der bewussten
Kontrolle.
Was sich durchweg mit
Erfolg verändern lässt, ist der eigene Umgang mit dem Erröten. So kann man
humorvoll damit umgehen und sich anderen beispielsweise schon
prophylaktisch als „Hobby-Rotkopf“ vorstellen. Wer auf eine solche Weise
mögliches Erröten mutig-frech vorwegnimmt, wird oft erleben, dass es
dadurch gar nicht mehr zum Erröten kommt oder dieses nur noch in
abgeschwächter Form auftritt. Wer leicht errötet, dem fehlt oft
ausreichendes Selbstbewusstsein. In einem solchen Fall macht es mehr Sinn,
dieses gezielt zu stärken und nicht das Erröten zu bekämpfen. Außerdem
kann man sich durch entsprechende „Autosuggestionen“ bzw. Affirmationen
ein wenig „umprogrammieren“, in dem man sich z.B. täglich mehrfach Sätze
sagt wie „Auch wenn ich immer mal wieder erröte, schätze und akzeptiere
ich mich. wie ich bin.“ „Kommentare zu meinem Erröten greife ich humorvoll
auf, um schlagfertig darauf zu antworten.“ In Ausnahmefällen kann man
sich auch einmal vorsorglich schminken – zur Regel sollte dies allerdings
nie werden.
Was man regelrecht
„trainieren“ kann, ist, sich bewusst in Situationen zu begeben, bei denen
es typischerweise zum Erröten kommt, um dann in der noch zu beschreibenden
Weise offen und mutig mit dem Erröten umzugehen. Diese Form des
„Antischamtrainings“ ist hoch effektiv, wenn man konsequent und
ausreichend lange übt. Die dabei entstehende Selbstsicherheit wirkt
künftigem Erröten entgegen. Einen ähnlich günstigen Effekt kann man auch
dadurch erzielen, dass man anderen Menschen so oft wie möglich von den
eigenen Erfarhungen mit dem Erröten (möglichst humorvoll) berichtet. Das
verringert die Scham, beugt künftigen Errötungssituationen vor und übt
(mittels Humor) eine distanzierte Einstellung zum Erröten ein.
Wie
sollte man auf eigenes Erröten reagieren?
Als
erstes kann man sich vor Augen führen, dass mit einer großen
Wahrscheinlichkeit kaum einer der Anwesenden das Erröten bemerken wird.
Denn die meisten Zeitgenossen sind so mit sich selbst beschäftigt, dass
sie das Verhalten ihrer Mitmenschen allenfalls oberflächlich registrieren.
Außerdem nimmt man vor allem das wahr, was man aufgrund der aktuellen
Situation gerade erwartet (und dazu gehört das Erröten anderer Menschen
eher selten, weil es für die Anwesenden meist nicht so wichtig ist). Bei
sich selbst sollte man darauf achten, dass man die eigene Aufmerksamkeit
schleunigst vom Erröten weglenkt (beispielsweise indem man sich für die
Augen- und Haarfarbe aller Anwesenden interessiert oder innerlich die
nächste Mahlzeit plant). Schließlich kann es auch Sinn machen, eine
Entspannungstechnik einzusetzen, mit deren Hilfe man das Erröten abmildern
oder rückgängig machen kann. Die einfachste Technik ist betont langsames
und tiefes Atmen, wobei man möglichst doppelt so lange aus- wie einatmen
sollte. Manchmal hilft es auch, sich vorzustellen, wie angenehm sich eine
frische Brise Wind oder ein kühlender Umschlag im Gesicht anfühlt. Dies
sollte man allerdings schon vorab geübt haben. Wer sich mit der Technik
bereits auskennt, kann sich im Geiste auch in die Vogelperspektive begeben
und das momentane Geschehen aus gehörigem Abstand gelassener wahrnehmen.
Man distanziert sich so ein wenig von der eigenen Betroffenheit. Aus der
Vogelperspektive kann man sich auch gut zureden („Lass Sie doch reden.“
„Du stehst zu dir, wie du bist.“) Wer mutig ist, kann das Erröten auch
humorvoll selbst ansprechen („Oh, solche
Bemerkungen pumpen bei mir sofort Blut in den Kopf“ „Noch mehr solcher
Vorschläge und mein Kopf platzt.“).
Sollte es ausnahmsweise zu einem dummen Kommentar durch andere kommen,
antwortet man am besten „schlagfertig“. Um dies auch aus dem Stehgreif zu
können, empfiehlt es sich, vorweg für solche Situationen mehrere
allgemeine Bemerkungen vorzubereiten. Beispielsweise könnte man sagen: „Andere
sind schon morgens blau, ich werde lieber gelegentlich rot.“ „Lieber rot,
als leichenblass“. „Würden Sie lieber schwarzsehen? Ich halte rot für
lebendiger.“ „“Kaltherzigkeit anderer lässt meine innere Heizung
anspringen.“ „Rot ist nun mal die Farbe der Liebe“ usw. Wenn man etwas
böswilliger sein will, könnte man auch sagen:
“Wenn ich so blass wäre wie du, würde ich auch mit solchen Bemerkungen von
mir ablenken.“ „Schon mal was von Fremdschämen gehört? Ich schäme mich
gerade für die Dummheit deiner Bemerkung.“
Gibt sich Erröten von selbst?
Der Satz „Das gibt sich mit der Zeit“ gilt in
der Regel nur für den Fall, dass man das Erröten konsequent ignoriert und
es nicht – wie man in der Psychologie sagt – ständig neu „verstärkt“. Denn
jedes Mal wenn man sich doch wieder aufregt oder schämt, wird die Stoppuhr
gleichsam automatisch neu auf Null gestellt und fängt das Warten von vorne
an (mit einem Nachteil: Die Wartezeit wird jedes Mal eher etwas länger).
Wer es nicht schafft, das Erröten komplett zu ignorieren, sollte sich
lieber auf die oben beschriebenen aktiven Strategien verlassen (über sich
selbst schmunzeln, mögliches Erröten aktiv vorwegnehmen, schlagfertig auf
Bemerkungen reagieren). Je häufiger man auf diese Weise Erfolg hat, umso
eher wird sich das Problem verabschieden.
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