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Blähungen, Darmgrimmen, Verstopfung, Durchfall und dazu die ständigen
Bauchschmerzen: Für Menschen mit Reizdarm dreht sich das Leben oft nur
noch um den nächsten Stuhlgang. Und der bringt nur kurz Entlastung.
Die Ärzte sind ratlos und viele Patienten haben schon alles
ausprobiert. Doch eine Patentlösung gibt es nicht, schreibt ein
renommierter Darmexperte in der "Zeitschrift für Gastroenterologie"
(Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2008). Jeder Betroffene müsse die für
seinen Darm richtige Lösung selbst finden. Der Arzt könne ihn dabei
aber durch eine gezielte Ernährungsberatung unterstützen.
Viele Menschen
mit Reizdarm-Syndrom haben eine Unverträglichkeit auf bestimmte
Nahrungsbestandteile wie Fruchtzucker (Fruktose), Milchzucker
(Laktose) oder fermentierte Kohlehydrate, sagt Professor Jürgen Stein
von der Universität Frankfurt. Eine Unverträglichkeit auf Klebereiweiß
(Gluten) oder echte Lebensmittelallergien seien dagegen selten. Die
meisten Menschen mit Reizdarm müssten deshalb die
Nahrungsbestandteile, die Beschwerden verursachen, nicht völlig
meiden.
Stein empfiehlt
bei Verdacht auf Fruktose-Überempfindlichkeit ein stufenweises
Vorgehen. Zunächst sollten die Patienten nur auf Nahrungsmittel
verzichten, denen Fruktose als Süßstoff beigemengt ist. Das ist heute
bei vielen "zuckerfreien" Nahrungsmitteln so, aber auch bei
"Diabetiker"-Produkten. Diese enthalten oft Sorbitol, die Alkoholform
von Fruktose, also eine chemische Variante des Fruchtzuckers.
Wenn die
Beschwerden andauern, kommt als Nächstes ein Verzicht auf Obst mit
hohem Fruchtzuckergehalt in Frage. Dies sind Äpfel, Birnen,
Süßkirschen, Datteln, aber auch Honig. Bananen und Erdbeeren erlaubt
Professor Stein dagegen. Denn die enthalten viel Glukose. Sie fördert
die Aufnahme von Fruktose im Dünndarm. Folglich wird nur wenig
Fruktose in den Dickdarm weitergeleitet, wo die Beschwerden entstehen.
Nach Erfahrung von Stein müssen nur wenige Menschen mit
Fruktoseunverträglichkeit völlig auf Fruchtzucker verzichten.
Meiden sollten
Menschen mit Reizdarm auch Artischocken, Knoblauch, Zwiebel, Spargel
und Lauch. Diese Nahrungsmittel enthalten fermentierte Kohlehydrate,
die im Darm schnell Blähungen verursachen.
Daneben
verordnet Professor Stein Medikamente, welche die Beschwerden lindern.
Traditionell werden beim Reizdarm Ballaststoff eingesetzt. Doch die
Wirkung ist unsicher. Die wissenschaftlichen Studien sind größtenteils
enttäuschend verlaufen, berichtet der Experte. Er macht den Einsatz
davon abhängig, welche Beschwerden im Vordergrund stehen: Bei
Durchfällen helfen oft lösliche Ballaststoffe, da sie Wasser binden.
Bei Verstopfungen rät Stein eher zu unlöslichen Ballaststoffen. Bei
Blähungen sollte man Ballaststoffe dagegen meiden, da sie die
Gasbildung steigern.
Seit kurzem
werden auch Probiotika, etwa als Jogurts, bei Reizdarm empfohlen. Sie
enthalten lebende Bakterien, die den Darm wieder ins bakteriologische
Gleichgewicht bringen sollen. Ob sie wirken, ist für Professor Stein
noch offen. Es gebe nur wenige, insgesamt widersprüchliche
Studienergebnisse. Und da die einzelnen Probiotika unterschiedliche
Bakterien enthalten, könnte es sehr wohl davon abhängen, welches
Mittel man einnehme.
Gute
Erfahrungen hat Professor Stein mit Pflanzenextrakten gemacht. Sie
enthalten beispielsweise Pfefferminzöl oder Kümmelöl. Erste Studien
haben eine lindernde Wirkung gegen Darmkrämpfe gezeigt, berichtet
Stein. Wie vielen Patienten daraus Nutzen ziehen und vor allem, ob sie
auf Dauer wirken, ist nach Ansicht des Experten noch unklar.
J. M. Stein,
A. Wächtershäuser:
Ernährungsfaktoren und Ernährungstherapie beim Reizdarmsyndrom – was
ist valide?
Zeitschrift für Gastroenterologie 2008; 46 (3), S. 277-298