Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Wie schafft unser Gehirn Aufmerksamkeit?


fzm -
Aus unserer Umgebung strömt sekündlich eine Vielzahl von Reizen und Informationen auf uns ein – sowohl optische als auch akustische und taktile, um nur ein paar Reizqualitäten zu nennen, und natürlich auch sensorische Reize aus unserem Körper –, von denen unser Gehirn nur ein Bruchteil gleichzeitig verarbeiten kann. Das Gehirn muss also selektieren, welche Vorgänge so wichtig sind, dass wir uns damit befassen sollten. Diese Auswahl für unsere Bewusstseinsinhalte obliegt unserer Aufmerksamkeit. Bis heute weiß man jedoch erst in Ansätzen, welche neuronalen Strukturen unter welchen Bedingungen welche Inhalte wie bewusstseinsfähig machen. Ein Aufsatz in der Zeitschrift "Aktuelle Neurologie" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2008) fasst die jüngsten Ergebnisse der facettenreichen Forschung zum Thema Aufmerksamkeit zusammen. Insgesamt ergibt sich, dass Aufmerksamkeit die Verarbeitung sensorischer Informationen beeinflusst und die Aktivität sensorischer Neurone in der Großhirnrinde moduliert.

Man nimmt an, dass es eine Art von Prozessor für höhere kognitive Leistungen gibt, etwa die semantische Analyse von Eingangsreizen, dessen Kapazität limitiert ist und der vor Überlastung geschützt werden muss, der aber auch geteilte Aufmerksamkeit auf mehreren Informationskanälen organisiert. Dabei findet die Verarbeitung verschiedener Informationsqualitäten (beispielsweise Farbe, Form, Bewegung) in unterschiedlichen Arealen der Hirnrinde statt. Noch nicht entschieden ist die auch philosophisch bedeutsame Frage, ob die Selektion eingehender Informationen für motorische Kontrolle oder Verarbeitung im Gedächtnis schon früh erfolgt, und zwar auf Grund ihrer physikalischen Merkmale, oder erst zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem die Eingangsreize vollständig, auch semantisch, analysiert wurden.

Bei manchen klinisch nachweisbaren Störungen der Aufmerksamkeit sind sich die Patienten einiger Objekte nicht bewusst, während sie andere Objekte vollkommen klar wahrnehmen können. Solche Störungen können nach Schädigungen in einer Hirnhälfte auftreten, wobei beispielsweise bei Störungen in der rechten Hirnhälfte Eingangsinformationen aus dem linken Raum und der linken Körperhälfte vernachlässigt oder nicht wahrgenommen werden. Man nennt dieses Defizit "Neglect". Noch faszinierender ist das als Extinktion bezeichnete Phänomen, wobei die Patienten zwar zwei unterschiedliche Objekte in den beiden Raumhälften erkennen können. Aber erst als in beiden Raumhälften jeweils dasselbe Objekt gezeigt wurde, kam es zur Löschung des Objektes, das in der der Hirnschädigung gegenüberliegenden Raumhälfte dargeboten wurde. Hier wetteifern offensichtlich beide Hirnhälften um Aufmerksamkeit, wobei der Reiz dominiert, der in der intakten Hirnhälfte verarbeitet wird, während der Reiz auf der gegenüberliegenden Seite bei simultaner Stimulation aus dem Bewusstsein gelöscht zu werden scheint.

B Kopp:
Neuropsychologie der Aufmerksamkeit.
Aktuelle Neurologie 2008, 35 (1); S. 16-27