Hänseln kann schlimmer sein als Schlagen
DGKJP: Oft folgen schwere psychische Störungen
Über ein Drittel aller Kinder wird in ihrem Schulleben
regelmäßig gehänselt. Dies kann für das Selbstwertgefühl des betroffenen
Kindes sogar schlimmere Folgen haben als körperliche Angriffe oder das
Zerstören persönlicher Dinge. Ein Drittel der schikanierten Kinder
entwickelt schwer wiegende psychische Störungen. Das Hänseln dürfe daher
in Schulen nicht länger verharmlost werden, fordert die Deutsche
Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (DGKJP).
Eine aktuelle Studie der Universität Warwick an 331 Schülern in England
zeigt, dass verbale Attacken schlimmere Folgen für die psychische
Gesundheit des Kindes haben können als körperliche Angriffe oder die
Zerstörung bzw. der Diebstahl persönlichen Eigentums. Wird ein Kind
systematisch ausgegrenzt und abgewertet, kann dies nicht nur die
Entwicklung seines Selbstwertgefühls erheblich beeinträchtigen, sondern
auch zu psychischen Symptomen führen, die man unter dem Begriff der
posttraumatischen Belastungsstörung zusammenfasst. Diese reichen von
Schulunlust und Leistungsknick über eine Vielzahl psychosomatischer
Symptome wie Schlafstörungen, Kopf- und Bauchschmerzen bis hin zu
ausgeprägten Angst- und depressiven Erkrankungen. Der Studie zufolge ist
davon auszugehen, dass 40 Prozent aller Kinder zumindest ein Mal in
ihrem Schulleben dem so genannten „Bullying“ ausgesetzt sind, also durch
Mitschüler tyrannisiert und schikaniert werden. Von diesen wiederum
entwickelt ein Drittel eine posttraumatische Belastungsstörung.
Bullying wird immer noch verharmlost
Die negative Bedeutung des Mobbings am Arbeitsplatz für die psychische
Gesundheit ist inzwischen unbestritten. Viele nationale und
internationale Untersuchungen haben gezeigt, welche gravierenden
Auswirkungen das Mobbing haben kann. „Das kindliche Äquivalent hierzu -
das Hänseln in der Schule - wird jedoch allzuoft immer noch als ein für
Kinder ‚normales' Verhalten abgetan, dem man keine besondere
Aufmerksamkeit widmen muss“, betont Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort
von der DGKJP. „Meist sind die Erwachsenen schon froh, wenn es nicht zu
körperlichen Übergriffen kommt, sondern bei verbalen Angriffen bleibt.
Dabei verweisen neuere Untersuchungen auf eine alarmierende Häufigkeit
und schwer wiegende Konsequenzen des Bullyings, das mindestens genauso
verletzend wie körperliche Attacken sein kann.“
Eigenbrötler, denen es selbst schwer fällt, soziale Kontakte zu knüpfen,
laufen besonders Gefahr, von anderen ausgegrenzt zu werden. Viele
Mitschüler mit niedrigem Klassenstatus schweigen oder schlagen sich auf
die Seite der Täter, weil sie Angst haben, selbst zum Opfer zu werden.
Daher sollte allen Kindern rechtzeitig beigebracht werden, wie mit
Herabwürdigung und Aggressionen in der Schule umzugehen ist. „Solche
gruppendynamischen Prozesse dürfen nicht länger verharmlost und
verleugnet werden“, fordert Prof. Schulte-Markwort (DGKJP). „Programme
zur Gewaltprävention an Schulen sollten sich immer auch mit Elementen
der verbalen Gewalt befassen. Jede systematische Hänselei innerhalb der
Klasse muss aufgegriffen und thematisiert werden.“
Bullying: Tyrannisieren, Schikanieren und Einschüchtern
Das Wort „Mobbing“ hat sich innerhalb Europas lediglich in den
deutschsprachigen und skandinavischen Ländern durchgesetzt, während es
im angelsächsischen Sprachraum nahezu unbekannt ist. Dort wird statt
dessen die Bezeichnung „bullying“ verwendet, die von „bully“ abgeleitet
ist, was soviel wie brutaler Mensch, Tyrann oder Despot bedeutet. „Auch
das Hänseln in der Schule wird im Englischen adäquater als ‚bullying'
bezeichnet, was mit Tyrannisieren, Schikanieren und Einschüchtern
übersetzt werden könnte und damit weniger verharmlosend wirkt“, so Prof.
Dr. Michael Schulte-Markwort von der Deutschen Gesellschaft für Kinder-
und Jugendpsychiatrie (DGKJP). Während beim Mobbing in der Regel mehrere
Kollegen an den Attacken beteiligt sind und beim Bossing der Vorgesetzte
der Täter ist, geht das Bullying meist von einzelnen Schülern aus.
Andere Schüler unterstützen diese oft nur aus Angst, selbst in die
Opferrolle zu geraten.
Quelle:
DKJP |