Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Muskelschnitt bei Migräne ist vor allem Geldschneiderei
Deutsche Gesellschaft für Neurologie warnt vor vermeintlich Heilung

   
Stuttgart – Ein Schnitt durch einen Muskel in der Stirn soll Patienten angeblich von Migräne befreien. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt jetzt vor diesem ‚wenig seriösen’ Verfahren. Die DGN sieht darin in erster Linie finanzielle Interessen, nicht aber therapeutischen Nutzen. Entscheidend sei es stattdessen, die angemessene medikamentöse Therapie gegen die anfallartigen Kopfschmerzen zu finden.

Angeblich lindere der operative Eingriff bei nahezu 80 Prozent der Patienten die Migräne dauerhaft. „Bei der angepriesenen Methode handelt es sich jedoch eher um ein tragisches Beispiel der vorsätzlichen Körperverletzung getarnt als vorbeugende Behandlung“, betont Professor Hans-Christoph Diener von der Abteilung Neurologie am Universitätsklinikum Duisburg-Essen. Die Kosten für die OP betragen etwa 1.500 Euro. Der Patient zahlt sie aus eigener Tasche. Ein Neurologe, der eine ausführliche Anamnese erhebe, den Patienten neurologisch untersuche und eine leitliniengerechte Akuttherapie und Prophylaxe der Migräne verordne, bekomme für seine Bemühungen 42 Euro, so der Kopfschmerzexperte.

Etwa zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind von den verschiedenen Formen einer Migräne betroffen „Die Grundlagenforschung zu Migräne hat in den letzten Jahren immense Fortschritte gemacht“, sagt Professor Diener in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Aktuelle Neurologie" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2006). Es gäbe keinen Zweifel mehr, dass es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung handelt. Sie verändert die Freisetzung von Botenstoffen im Gehirn. Darüber hinaus beeinflusst Migräne bestimmte schmerzverarbeitende Strukturen im Gehirn und die Aktivität der Großhirnrinde.

Basierend auf diesen Erkenntnissen hat die Forschung in den vergangenen 15 Jahren neue Substanzen zur Behandlung der Attacken entwickelt. Auch die Vorbeugung von Migräne mache Fortschritte. „Man fragt sich jedoch, ob dieser gesamte Aufwand nicht völlig unnötig war“, bedauert Professor Diener. Denn zurzeit werde das operative Verfahren zur „Heilung“ der Migräne erneut beworben: Die Durchtrennung des Musculus corrugator supercilii – ein Gesichtsmuskel oberhalb der Nasenwurzel. Der Muskel selbst sei die vermeintliche Ursache der Schmerzen: Indem er sich ständig anpasse, reize er den Nerv zugehörigen und führe zu verminderter Durchblutung der umliegenden kleinen Gefäße.

Eine Erklärung für den scheinbaren Erfolg der Operation: Die meisten Patientinnen sind im Alter zwischen 45 und 55 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt bessert sich eine Migräne häufig spontan oder verschwindet sogar völlig. Darüber hinaus haben operative Eingriffe oft eine hohe Scheinwirkung. Beispielsweise zeigt Scheinakupunktur bei Migräne mitunter dieselben Erfolge wie echte chinesische Akupunktur: Unter beiden Verfahren halbiert sich die Häufigkeit der Migräneattacken bei der Hälfte der Patienten. „Diese Responderrate verdeutlicht den immensen Placeboeffekt, wenn statt Medikamenten Nadeln verwendet werden“, sagt Professor Diener. Ein weiteres Beispiel sind Studien zum Einsatz des Nervengiftes Botulinumtoxin bei chronischen Spannungskopfschmerzen: In Nacken- und Kopfmuskeln injiziert beträgt die Responderrate 70 Prozent. Verwendet der Therapeut statt Botulinumtoxin jedoch Kochsalzlösung ist der Therapieerfolg derselbe. Auch dies bestätigt, dass invasive Verfahren einen deutlich höheren Placebo-Effekt haben, als medikamentöse Therapien.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)

E-Mail: info@medizinkommunikation.org

Internet: www.dgn.org