Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Interview zum Thema Komplimente
mit dem Magazin "Woman"

 

Woman:  Warum sind Komplimente wichtig?

Dr. Mück: Komplimente erzeugen zwischenmenschliche Sympathie. Der Empfänger des Kompliments fühlt sich oft wohl (es sei denn, er vermutet darin eine Manipulation oder hat ungünstige Erfahrungen mit Komplimenten gemacht). Komplimente fördern das Selbstwertgefühl, positive Gefühle und die Selbstwahrnehmung. Indem sie verraten, wie man auf andere wirkt, tragen sie zur Entwicklung eines Identitätsgefühls bei, das heißt, man erhält Antworten auf die Frage „Wer oder wie bin ich?“.

Woman: Wie sollte man auf ein Kompliment richtig reagieren? Falsche Bescheidenheit ist ja nie gut...

Dr. Mück: Vorab ist es entscheidend, ein Kompliment überhaupt als solches zu erkennen. Denn manchmal sind Komplimente auch verpackt, etwa wenn jemand am Ende einer Einladung zum Nachmittagskaffee nur sagt „Das war ein schöner Nachmittag.“ Damit dürfte nicht nur der Sonnenschein im Garten gemeint sein, sondern auch die gelungenen Bemühungen der Gastgeberin. Am besten reagiert man auf ein Kompliment durch ein aufrichtiges und klares „Danke“. Oder: „Schön, dass Ihnen das gefällt.“ Oder: „Es freut mich sehr, das zu hören.“ Leider tun sich viele Menschen schwer, Komplimente anzunehmen. Sie erröten, werden verlegen oder misstrauen dem Kompliment. Vermutlich handelt es sich dann um Menschen, die ein geringes Selbstwertgefühl haben – was wiederum auch darauf beruht, dass sie im bisherigen Leben vergleichsweise wenig Komplimente erhalten haben. Solche Personen müssen regelrecht üben, Komplimente nicht nur dankbar, sondern stolz anzunehmen. Als Adressat eines Kompliments vergibt man sich nichts, wenn man betont, wie sehr man sich über das Kompliment freut (was ja in aller Regel auch den Tatsachen entspricht). Für den Komplimentgeber ist dies eine erfreuliche Rückmeldung, da er so erfährt, dass er durch sein Kompliment etwas Gutes bewirkt hat.

Woman: Gibt es Menschen, die Komplimente besser annehmen können als andere? Vielleicht, wer sie schon als Kind gewohnt war...?

Dr. Mück: Der Umgang mit Komplimenten beruht immer auch auf Lernerfahrungen. Wer schon am Beispiel seiner Eltern erlebt hat, dass Komplimente nicht gegeben oder kritisch beäugt werden, wird sich selbst ebenfalls damit schwer tun. Außerdem hat der Umgang mit Komplimenten immer auch eine kulturelle Basis. So gehören Komplimente in manchen Ländern eher zur Alltagskultur als in anderen.

Woman: Mark Twain hat einmal gesagt: "Ein Dutzend Komplimente ist leichter zu ertragen als ein einziger aufrichtiger Tadel." Warum ist das so? Warum hört man gern Komplimente, auch wenn man weiß, dass sie nicht stimmen?

Dr. Mück: Wir Menschen nehmen unsere Umwelt immer nur selektiv, also in Ausschnitten wahr. Dabei wählen wir besonders solche Informationen aus, die zu unserem (bisherigen) Selbstbild passen und dieses bestätigen. Deshalb erleben wir Komplimente selbst dann oft noch als angenehm, wenn wir deren Glaubhaftigkeit bezweifeln. Ein unechtes Kompliment erspart uns zudem, uns bloßgestellt gestellt zu fühlen, was im Falle eines Tadels ja oft der Fall ist. Ein Tadel würde uns außerdem mit der unangenehmen Frage konfrontieren, ob wir an uns oder unserem Verhalten etwas ändern sollten. Letzteres ist durchweg anstrengender und unangenehmer als das Fortfahren im scheinbar bewährten Trott. Ob man Komplimente auch dann noch „gerne“ hört, wenn man von ihrer Unechtheit überzeugt ist, wage ich zu bezweifeln. Allerdings haben übertriebene oder unberechtigte Komplimente insofern etwas Freundlich-Versöhnendes, als man ihnen zumindest unterstellen kann, dass der Komplimentgeber einem wohl gesonnen zu sein scheint: Offenbar meint er es gut, indem er unser Selbstwertgefühl zu streicheln versucht.

Woman: Wie kann man Komplimente bewusst einsetzen?

Dr. Mück: Komplimente sind eine relativ einfache und sehr oft erfolgreiche Form der Gesprächseröffnung, Kontaktpflege und Gesprächslenkung. Sie bietet sich deshalb besonders für schüchterne Menschen an. Komplimente wecken die Aufmerksamkeit und das Interesse des Komplimentempfängers am Komplimentgeber und stellen so eine Verbindung zwischen beiden her. Indem Komplimente ausschließlich positive Eigenschaften eines Beteiligten thematisieren, stellen sie persönlich interessante und angenehme Gesichtspunkte in den Mittelpunkt des Gesprächs, was sich fast immer auf die Beziehung und das zwischenmenschliche Klima günstig auswirkt. Komplimente sind für alle Beteiligten von Vorteil: Dem Komplimentgeber erleichtert das Kompliment die Gesprächsgestaltung, zugleich schult er sein Auge für das Schöne und Gelungene in dieser Welt. Beim Empfänger verbessert das Kompliment Wohlbefinden und Selbstwertgefühl. Er erfährt, dass man ihn wahrgenommen hat und die im Kompliment beschriebenen Eigenschaften schätzt. Besonders beim Flirt erzeugen Komplimente eine nicht nur angenehme, sondern auch prickelnd erotische Atmosphäre. Komplimente können hier mitunter „spielerisch“ wirken. Sie verdeutlichen dem Gegenüber, dass man Interesse an ihm oder ihr hat und dass man sich auf ihn oder sie bezieht, also eine „Beziehung“ möchte.

Woman: Wie kann man herausfinden, dass der andere versucht einen so zu manipulieren?

Dr. Mück: Hier muss man sich vor allem auf das eigene Gespür und bisherige Erfahrungen mit Komplimenten und Komplimentgebern verlassen. In aller Regel merkt man, ob ein Kompliment von Herzen kommt oder übertrieben ist oder an den Haaren herbeigezogen wird. Dabei kann es hilfreich sein, zwischen Lob und Kompliment zu unterscheiden. Komplimente sollten nämlich weitgehend zweckfrei, also insbesondere gerade nicht zur „Manipulation“ des anderen eingesetzt werden. Dagegen wird das Lob typischerweise eingesetzt, um einen anderen Menschen in einer bestimmten Entwicklung zu bestärken, an der meist nicht nur der Gelobte, sondern auch der Lobende ein Interesse hat. Lobe findet man daher insbesondere auch in hierarchischen Beziehungen, in denen der Lobende einer anderen Person übergeordnet ist (wie Eltern, Lehrern, Vorgesetzten). Trotzdem wird auch das Kompliment im Alltag immer wieder zweckentfremdet, wie man es vom Beispiel des so genannten „Hinauskomplimentierens“ kennt. Hier missbraucht man das Kompliment, um sich oder einem anderen eine Trennung formal und emotional zu erleichtern.

Woman: Wenn man bestimmte Komplimente zu oft hört, stumpft man ab?

Manche Komplimente sind ja schon alltägliche Floskeln, die man gar nicht mehr wahrnimmt. Wie macht man besondere oder besonders gute Komplimente?

Dr. Mück: Das aller Wichtigste ist, Komplimente ehrlich und aufrichtig zu geben. Man spricht in diesem Zusammenhang von „authentischem Verhalten“. Komplimente können sich auf fast alles beziehen: vom Aussehen, über das Verhalten bis hin zu den Lebensumständen (wie z.B. der Wohnung, dem Beruf, den Kindern, dem Auto usw.). Je mehr das Kompliment mit den persönlichen Merkmalen, Gefühlen und Verhaltensweisen des Komplimentempfängers zu tun hat, um so stärker wird es wirken. Denn ein schönes gekauftes Kleidungsstück hat weniger mit einer Person zu tun als beispielsweise deren sympathisches Lächeln oder ihre Schlagfertigkeit oder ihr Geschick mit chinesischen Stäbchen umzugehen. Schon eine Bemerkung wie „Das haben Sie gerade sehr schön ausgedrückt“ kann ein wertvolles Kompliment sein. Um Komplimente geben zu können, ist es erforderlich, andere gut wahrnehmen und so „Komplimentwürdiges“ entdecken zu können. Mit Komplimenten sollte man nie geizen. Denn man selbst wird dadurch nicht ärmer, die zwischenmenschlichen Beziehungen dagegen an Freude und Intensität reicher. Als Faustregel hat sich bewährt, nicht zu Bett zu gehen, bevor man nicht wenigstens drei Komplimente erteilt hat. Diese müssen nicht nur im Familien- und Bekanntenkreis verschenkt werden, auch die Verkäuferin im Supermarkt oder ein Kunde in der Warteschlange am Bahnhof können sich über ein unerwartetes Kompliment freuen. Wer sich mit Komplimenten noch schwer tut, sollte sich gezielt darin trainieren.

Woman: Reagieren Männer anders als Frauen auf Komplimente?

Dr. Mück: Im zwischengeschlechtlichen Bereich machen vermutlich mehr Männer als Frauen Komplimente als umgekehrt. Dagegen ist es zwischen Männern selbst eher unüblich, sich Komplimente zu machen. Männer setzen hier wahrscheinlich, wenn überhaupt, eher das „Lob“ ein. Noch immer haben viele Männer die Einstellung: „Wenn ich nichts sage, ist alles in Ordnung“. Frauen machen sich gegenseitig wohl eher Komplimente. Überhaupt dürften Frauen in unserer Kultur eher Komplimente erhalten als Männer, so dass Männer schon einmal verstört und irritiert reagieren können, wenn ihnen überraschenderweise ein Kompliment zufliegt.

Woman: Wie erklären Sie das Phänomen "Fishing for Compliments"?

Dr. Mück: „Fishing for compliments“ beschreibt Personen, die sich nach Komplimenten sehnen und dies anderen auch signalisieren. Solche Menschen haben meist ein sehr schwaches Selbstwertgefühl und hungern daher regelrecht nach Komplimenten. Leider macht gerade dieses Verhalten es besonders schwer, ihnen echte Komplimente zu erteilen (die ja das Ergebnis einer neutralen Beobachtung und nicht einer Bestellung sein sollten). Mitmenschliche Gründe legen es oft nahe, das schwache Selbstwertgefühl solcher Personen mit einem Kompliment zu stärken, auch wenn dies oft einen schalen Geschmack hinterlassen wird. Vom „Fishing for Compliments“ sollte man unbedingt solche Menschen unterscheiden, die aufrichtig und mit Recht auf etwas stolz sind. Solchen Personen braucht man Komplimente nicht deshalb vorenthalten, weil man befürchtet, dass die Adressaten vor Stolz platzen. Diese Sorge ist selten berechtigt.