Woman: Warum sind
Komplimente wichtig?
Dr. Mück:
Komplimente
erzeugen zwischenmenschliche Sympathie. Der Empfänger des Kompliments
fühlt sich oft wohl (es sei denn, er vermutet darin eine Manipulation oder
hat ungünstige Erfahrungen mit Komplimenten gemacht). Komplimente fördern
das Selbstwertgefühl, positive Gefühle und die Selbstwahrnehmung. Indem
sie verraten, wie man auf andere wirkt, tragen sie zur Entwicklung eines
Identitätsgefühls bei, das heißt, man erhält Antworten auf die Frage „Wer
oder wie bin ich?“.
Woman: Wie sollte man
auf ein Kompliment richtig reagieren? Falsche Bescheidenheit ist ja nie
gut...
Dr. Mück: Vorab ist es
entscheidend, ein Kompliment überhaupt als solches zu erkennen. Denn
manchmal sind Komplimente auch verpackt, etwa wenn jemand am Ende einer
Einladung zum Nachmittagskaffee nur sagt „Das war ein schöner Nachmittag.“
Damit dürfte nicht nur der Sonnenschein im Garten gemeint sein, sondern
auch die gelungenen Bemühungen der Gastgeberin. Am besten reagiert man auf
ein Kompliment durch ein aufrichtiges und klares „Danke“. Oder: „Schön,
dass Ihnen das gefällt.“ Oder: „Es freut mich sehr, das zu hören.“ Leider
tun sich viele Menschen schwer, Komplimente anzunehmen. Sie erröten,
werden verlegen oder misstrauen dem Kompliment. Vermutlich handelt es sich
dann um Menschen, die ein geringes Selbstwertgefühl haben – was wiederum
auch darauf beruht, dass sie im bisherigen Leben vergleichsweise wenig
Komplimente erhalten haben. Solche Personen müssen regelrecht üben,
Komplimente nicht nur dankbar, sondern stolz anzunehmen. Als Adressat
eines Kompliments vergibt man sich nichts, wenn man betont, wie sehr man
sich über das Kompliment freut (was ja in aller Regel auch den Tatsachen
entspricht). Für den Komplimentgeber ist dies eine erfreuliche
Rückmeldung, da er so erfährt, dass er durch sein Kompliment etwas Gutes
bewirkt hat.
Woman: Gibt es
Menschen, die Komplimente besser annehmen können als andere? Vielleicht,
wer sie schon als Kind gewohnt war...?
Dr. Mück: Der Umgang mit
Komplimenten beruht immer auch auf Lernerfahrungen. Wer schon am Beispiel
seiner Eltern erlebt hat, dass Komplimente nicht gegeben oder kritisch
beäugt werden, wird sich selbst ebenfalls damit schwer tun. Außerdem hat
der Umgang mit Komplimenten immer auch eine kulturelle Basis. So gehören
Komplimente in manchen Ländern eher zur Alltagskultur als in anderen.
Woman: Mark Twain hat
einmal gesagt: "Ein Dutzend Komplimente ist leichter zu ertragen als ein
einziger aufrichtiger Tadel." Warum ist das so? Warum hört man gern
Komplimente, auch wenn man weiß, dass sie nicht stimmen?
Dr. Mück: Wir Menschen nehmen
unsere Umwelt immer nur selektiv, also in Ausschnitten wahr. Dabei wählen
wir besonders solche Informationen aus, die zu unserem (bisherigen)
Selbstbild passen und dieses bestätigen. Deshalb erleben wir Komplimente
selbst dann oft noch als angenehm, wenn wir deren Glaubhaftigkeit
bezweifeln. Ein unechtes Kompliment erspart uns zudem, uns bloßgestellt
gestellt zu fühlen, was im Falle eines Tadels ja oft der Fall ist. Ein
Tadel würde uns außerdem mit der unangenehmen Frage konfrontieren, ob wir
an uns oder unserem Verhalten etwas ändern sollten. Letzteres ist durchweg
anstrengender und unangenehmer als das Fortfahren im scheinbar bewährten
Trott. Ob man Komplimente auch dann noch „gerne“ hört, wenn man von ihrer
Unechtheit überzeugt ist, wage ich zu bezweifeln. Allerdings haben
übertriebene oder unberechtigte Komplimente insofern etwas
Freundlich-Versöhnendes, als man ihnen zumindest unterstellen kann, dass
der Komplimentgeber einem wohl gesonnen zu sein scheint: Offenbar meint er
es gut, indem er unser Selbstwertgefühl zu streicheln versucht.
Woman: Wie kann man
Komplimente bewusst einsetzen?
Dr. Mück: Komplimente sind eine
relativ einfache und sehr oft erfolgreiche Form der Gesprächseröffnung,
Kontaktpflege und Gesprächslenkung. Sie bietet sich deshalb besonders für
schüchterne Menschen an.
Komplimente wecken die Aufmerksamkeit und das Interesse des
Komplimentempfängers am Komplimentgeber und stellen so eine Verbindung
zwischen beiden her. Indem Komplimente
ausschließlich positive Eigenschaften eines Beteiligten thematisieren,
stellen sie persönlich interessante und angenehme Gesichtspunkte in den
Mittelpunkt des Gesprächs, was sich fast immer auf die Beziehung und das
zwischenmenschliche Klima günstig auswirkt. Komplimente sind für alle
Beteiligten von Vorteil: Dem Komplimentgeber erleichtert das Kompliment
die Gesprächsgestaltung, zugleich schult er sein Auge für das Schöne und
Gelungene in dieser Welt. Beim Empfänger verbessert das Kompliment
Wohlbefinden und Selbstwertgefühl. Er erfährt, dass man ihn wahrgenommen
hat und die im Kompliment beschriebenen Eigenschaften schätzt.
Besonders beim Flirt
erzeugen Komplimente eine nicht nur angenehme, sondern auch prickelnd
erotische Atmosphäre. Komplimente können hier mitunter „spielerisch“
wirken. Sie verdeutlichen dem Gegenüber, dass man Interesse an ihm oder
ihr hat und dass man sich auf ihn oder sie bezieht, also eine „Beziehung“
möchte.
Woman: Wie kann man
herausfinden, dass der andere versucht einen so zu manipulieren?
Dr. Mück:
Hier muss man sich vor allem auf das eigene Gespür und bisherige
Erfahrungen mit Komplimenten und Komplimentgebern verlassen. In aller
Regel merkt man, ob ein Kompliment von Herzen kommt oder übertrieben ist
oder an den Haaren herbeigezogen wird. Dabei kann es hilfreich sein,
zwischen Lob und Kompliment zu unterscheiden.
Komplimente sollten
nämlich weitgehend zweckfrei, also insbesondere gerade nicht zur
„Manipulation“ des anderen eingesetzt werden. Dagegen wird das Lob
typischerweise eingesetzt, um einen anderen Menschen in einer bestimmten
Entwicklung zu bestärken, an der meist nicht nur der Gelobte, sondern auch
der Lobende ein Interesse hat. Lobe findet man daher insbesondere auch in
hierarchischen Beziehungen, in denen der Lobende einer anderen Person
übergeordnet ist (wie Eltern, Lehrern, Vorgesetzten). Trotzdem wird auch
das Kompliment im Alltag immer wieder zweckentfremdet, wie man es vom
Beispiel des so genannten „Hinauskomplimentierens“ kennt. Hier missbraucht
man das Kompliment, um sich oder einem anderen eine Trennung formal und
emotional zu erleichtern.
Woman: Wenn man
bestimmte Komplimente zu oft hört, stumpft man ab?
Manche Komplimente sind ja schon alltägliche
Floskeln, die man gar nicht mehr wahrnimmt. Wie macht man besondere oder
besonders gute Komplimente?
Dr. Mück:
Das aller Wichtigste ist, Komplimente ehrlich und aufrichtig zu geben. Man
spricht in diesem Zusammenhang von „authentischem Verhalten“. Komplimente
können sich auf fast alles beziehen: vom Aussehen, über das Verhalten bis
hin zu den Lebensumständen (wie z.B. der Wohnung, dem Beruf, den Kindern,
dem Auto usw.). Je mehr das Kompliment mit den persönlichen Merkmalen,
Gefühlen und Verhaltensweisen des Komplimentempfängers zu tun hat, um so
stärker wird es wirken. Denn ein schönes gekauftes Kleidungsstück hat
weniger mit einer Person zu tun als beispielsweise deren sympathisches
Lächeln oder ihre Schlagfertigkeit oder ihr Geschick mit chinesischen
Stäbchen umzugehen. Schon eine Bemerkung wie „Das haben Sie gerade sehr
schön ausgedrückt“ kann ein wertvolles Kompliment sein. Um Komplimente
geben zu können, ist es erforderlich, andere gut wahrnehmen und so
„Komplimentwürdiges“ entdecken zu können. Mit Komplimenten sollte man nie
geizen. Denn man selbst wird dadurch nicht ärmer, die zwischenmenschlichen
Beziehungen dagegen an Freude und Intensität reicher. Als Faustregel hat
sich bewährt, nicht zu Bett zu gehen, bevor man nicht wenigstens drei
Komplimente erteilt hat. Diese müssen nicht nur im Familien- und
Bekanntenkreis verschenkt werden, auch die Verkäuferin im Supermarkt oder
ein Kunde in der Warteschlange am Bahnhof können sich über ein
unerwartetes Kompliment freuen. Wer sich mit Komplimenten noch schwer tut,
sollte sich gezielt darin trainieren.
Woman: Reagieren Männer
anders als Frauen auf Komplimente?
Dr. Mück:
Im
zwischengeschlechtlichen Bereich machen vermutlich mehr Männer als Frauen
Komplimente als umgekehrt. Dagegen ist es zwischen Männern selbst eher
unüblich, sich Komplimente zu machen. Männer setzen hier wahrscheinlich,
wenn überhaupt, eher das „Lob“ ein. Noch immer haben viele Männer die
Einstellung: „Wenn ich nichts sage, ist alles in Ordnung“. Frauen machen
sich gegenseitig wohl eher Komplimente. Überhaupt dürften Frauen in
unserer Kultur eher Komplimente erhalten als Männer, so dass Männer schon
einmal verstört und irritiert reagieren können, wenn ihnen
überraschenderweise ein Kompliment zufliegt.
Woman: Wie erklären Sie
das Phänomen "Fishing for Compliments"?
Dr. Mück:
„Fishing for compliments“ beschreibt Personen, die sich nach Komplimenten
sehnen und dies anderen auch signalisieren. Solche Menschen haben meist
ein sehr schwaches Selbstwertgefühl und hungern daher regelrecht nach
Komplimenten. Leider macht gerade dieses Verhalten es besonders schwer,
ihnen echte Komplimente zu erteilen (die ja das Ergebnis einer neutralen
Beobachtung und nicht einer Bestellung sein sollten). Mitmenschliche
Gründe legen es oft nahe, das schwache Selbstwertgefühl solcher Personen
mit einem Kompliment zu stärken, auch wenn dies oft einen schalen
Geschmack hinterlassen wird. Vom „Fishing for Compliments“ sollte man
unbedingt solche Menschen unterscheiden, die aufrichtig und mit Recht auf
etwas stolz sind. Solchen Personen braucht man Komplimente nicht deshalb
vorenthalten, weil man befürchtet, dass die Adressaten vor Stolz platzen.
Diese Sorge ist selten berechtigt. |