Ich fühle mich zur Zeit sehr ausgelaugt und
geschwächt, hatte viele kleinere und größere Probleme mit alltäglichen
Dingen und der Alltag fällt mir manchmal wirklich nicht leicht.
Ich komme aber immer
wieder auf die Beine, wahrscheinlich, weil ich das ultimative „es wird nie
wieder besser“ nicht anerkennen will, weil ich zum einen die Erfahrung
gemacht habe, dass es sich ändern wird und zum anderen weil ich weiß, dass
alles in mir steckt, was ich brauche, um mich gut zu fühlen.
Die Therapiesitzung heute
war für mich sehr gut.
Dr. Mück hatte in der
letzten Stunde angesprochen, dass ich mich sehr unter Druck setze und sich
dieser Druck auf ihn überträgt. Ich habe mir das zu Herzen genommen und
bin ohne Erwartung und ohne großes „Konzept“ in die Stunde gegangen. Ich
habe ein bisschen von meinen Problemen erzählt und auch, dass ich
zwischendurch für einige Stunden Depressionen verspürt habe.
Dr. Mück bat mich, das gar nicht großartig weiter
auszuführen, sondern ihm nur die nötigsten knappen Informationen
mitzuteilen. Ich sollte mir die Gefühle gar nicht erst wieder
so präsent machen, um sie nicht noch einmal zu erleben und nicht zu
vertiefen.
Noch vor kurzem hätte ich
das komisch gefunden, aber ich habe inzwischen verstanden, dass es keinen
Sinn macht, in negativen Gefühlen zu schwelgen, sie breitzutreten und
auseinander zu pflücken. Es gibt kaum ein sofortwirksames Mittel dagegen.
Der richtige Weg ist, schlechte Ereignisse anzuerkennen, mit ihnen in dem
Moment zu leben aber danach zu versuchen, sie nicht über die Zukunft
bestimmen zu lassen und trotzdem durchweg positive Erwartungen zu haben.
Dr. Mück sprach an, dass
jeder Mensch allein im Lauf des Tages sehr viele Gefühlsschwankungen hat.
Mir fiel vor kurzem dazu ein, dass ich seit langem praktisch keine
negative Gefühlsschwankung als normal ansehe und jedes schlechte Gefühl
sofort mit meinen seelischen Problemen in Verbindung bringe. Ich habe mir
überlegt, dass ich auch früher schon nicht immer gut drauf war und das als
ganz normal ansehen konnte.
Ich frage mich in letzter
Zeit häufig, was ich früher für ein Mensch war. Früher, bevor ich das
erste Mal mit den schädlichen Ängsten und Depressionen in Berührung
gekommen bin.
Ich hatte in der letzten
Woche ein Erlebnis, bei dem ich mich ein bisschen an diese Zeit erinnern
konnte. Es war Freitag und die Woche war sehr anstrengend für mich. Ich
habe es früher sehr häufig erlebt, dass ich am Wochenende zwar loslassen
konnte, ich aber auch aufgrund meiner negativen Erfahrungen und auch der
Erwartungen in depressive Stimmungen verfallen bin. An dem Freitag schien
es zunächst auch so, es machte sich ein komisches aber altbekanntes Gefühl
breit. Als ich zufällig am Spiegel vorbeikam und mich sah, blieb ich
stehen.
Ich
schaute mich an, schaute in mein Gesicht und ich sah mich. Ich
sah mich aber nicht wie immer, musternd, überprüfend, ich sah mich mehr
als Persönlichkeit. Ich sah mein Äußeres und gleichzeitig mein
individuelles Inneres, meine Einzigartigkeit. Und ich sah, dass diese
wunderbaren Eigenschaften ganz tief hinter angesammelten unrealistischen
Einstellungen und eingebrannten Erfahrungen verschwunden waren. Ich sah
auf meinen Lebensweg vom Kind zu dem Erwachsenen, der ich heute bin, und
auch den Einfluss meiner Eltern und meiner Umwelt und ich sah, dass
vieles, auf das ich selbst keinen Einfluss hatte, mein Leben und auch
meine Schwierigkeiten mit meinem Leben geprägt haben. Ich erkannte,
dass es hinter all den Problemen, die mir so sehr zu schaffen machen,
einen vollwertigen Menschen gibt. Ich hat mir in dem Moment selbst so
leid, dass mir ein paar Tränen kamen und ich zu mir im Spiegelbild sagte,
dass ich mich lieb habe.
Ich bin mit der Hand über mein Gesicht gefahren und
habe mich gut dabei gefühlt. Ich hatte das Gefühl, mit mir
Frieden schließen zu können.
Ich habe das Wochenende
und auch die nächste Zeit immer wieder daran gedacht und ich habe gemerkt,
dass es ein sehr hilfreicher Gedanke ist, der mir nicht immer, aber
vielleicht mit der Zeit immer mehr und wirksamer hilft, mich zu verändern.
Dr. Mück meinte dazu,
dass das ein ganz wichtiger Schritt für mich gewesen wäre.
In der Sitzung wurde ich
wieder stark daran erinnert, als Dr. Mück mir etwas über meine inneren
Stimmen erzählte. Er sprach darüber,
dass es viele innere Stimmen in jedem Menschen gibt
und führte mir einige von meinen inneren Stimmen vor. Er benutzte dabei
Kasperl-Figuren, denen er bestimmte Stimmen zuordnete. Die Figur, die mein
Leben im Moment am meisten prägt, war ein unsympathischer Herr mit
Kinnbärtchen und Warze, der mir all die negativen Gedanken einbläut, die
mir so viele Schwierigkeiten bereiten. Er ist außerordentlich dominant,
hartnäckig und nicht so leicht zu vertreiben. Dr. Mück stellte noch einen
Clown und einen Prinzen dazu. Der Clown stellte die lustige Stimme in mir
dar, die seit langer Zeit in mir viel zu oft viel zu leise ist. Der Prinz
sorgt im Gegensatz zum Mann mit Kinnbärtchen für positive Gedanken, die
allerdings auch viel zu wenig in den Vordergrund treten. Ich meinte, dass
noch eine Stimme für die vielen negativen Erfahrungen dazukommen müsste,
die sich bei mir verankert haben. Dr. Mück fand dafür einen Teufel, den er
neben Herrn Kinnbart stellte. Auch der Teufel ist sehr stark in mir. Eine
weitere Stimme erhielt eine Art glatzköpfiger Pastor, der für meinen
Perfektionismus und Leistungsdruck steht.
Im Nachhinein nenne ich
die negativen Stimmen jetzt den Saboteur, den Zementierer und Mr. Perfect.
Sie gilt es zu packen und ganz leise werden zu lassen. Es ist nicht
einfach, aber ich bin mir sicher, dass es geht. Durch das Spiel mit den
Puppen habe ich sie jetzt für immer vor Augen.
Zu Sitzung 7 |