Sehr
geehrte Patientin,
sehr geehrter Patient,
ich
freue mich, dass Sie sich dafür interessieren, das in Deutschland bislang
wohl einmalige Modell einer "ambulanten (berufsbegleitenden)
psychosomatischen Rehabilitation" kennen zu lernen. Die Idee entstand
aufgrund der Erfahrung, dass viele Patienten aus den Möglichkeiten einer
stationären psychosomatischen Rehabilitation großen Nutzen ziehen können.
Aber immer wieder gibt es Personen, denen es nicht möglich ist, sich für
4 bis 8 Wochen aus dem Alltag zurückzuziehen und sich auf ein solches
Angebot einzulassen. Einige haben z.B. kleine Kinder, die in dieser Zeit
nicht versorgt würden, andere können es sich nicht leisten, so lange vom
Arbeitsplatz fernzubleiben. Deshalb entstand hier in Köln der Gedanke,
eine Alternative zu entwickeln. Dieses Faltblatt will Sie über den
derzeitigen Stand und die Möglichkeiten dieses Modells informieren.
Warum
Psycho- und Sporttherapie gemeinsam?
Der
Hintergrund ist die Überlegung, dass insbesondere eine Kombination von
ambulanter Psychotherapie mit ambulanter Sporttherapie vielen Patienten
Hilfen erschließt, die eine klassische Psychotherapie nicht bieten kann.
Vielleicht gehören ja auch sie zu den Personen, die kein einfaches
Verhältnis zu ihrem Körper haben. Dafür können viele Gründe
verantwortlich zeichnen, etwa unklare dauerhafte Beschwerden, eine
Vernachlässigung des Körpers oder schwere bzw. ständige Erkrankungen,
die Sie daran zweifeln ließen, ob Sie sich auf Ihren Körper überhaupt
noch verlassen können. In einer solchen Situation hilft oft eine körperlich-sportliche
Selbsterfahrung rascher und wirksamer als das bloße Gespräch. Das
Training mit qualifizierten Betreuern und an sinnvollen Geräten fördert
nicht nur die Selbstwahrnehmung. Erfreulich und hilfreich ist auch das
Erlebnis, durch Training körperliche Funktionen beeinflussen zu können.
Oft verringern sich allein schon dadurch Gefühle von Hilflosigkeit und
Versagensangst. Der Trainierende erhält durch die spürbare (und zugleich
messbare!) Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit die Bestätigung, dass
er etwas an seinem Körper und damit in seinem Leben bewirken kann. Oft
ist dies die beste Motivation, um auf Dauer Verantwortung für die eigene
Gesundheit zu übernehmen. Sozusagen im Vorbeigehen, nimmt der
Trainierende auch noch eine Vielzahl anderer gesundheitsfördernder
Effekte mit (wie Verbesserungen von Herzarbeit, Muskelkraft,
Koordinationsvermögen und Stoffwechsel).
Welche
Besonderheiten zeichnen die ambulante psychosomatische Rehabilitation
ansonsten aus?
Die ambulante psychosomatische Rehabilitation nach dem neuen Modell
beginnt mit der klassischen ambulanten tiefenpsychologischen
Psychotherapie und stellt letztlich deren Erweiterung dar. Sie hat den
Vorteil, dass sie den Patienten nicht aus seinen sozialen Bezügen reißt.
Kinder müssen nicht untergebracht, der Arbeitsplatz nicht aufs Spiel
gesetzt werden. Der "Alltagsschock" nach dem Verlassen eines
"Klinikparadieses" bleibt dem Patienten erspart.
Das Kernangebot beinhaltet die Kombination von
tiefenpsychologischer Psychotherapie mit Sporttherapie und einer die
Sporttherapie begleitenden Gesprächsgruppe. Es wird bei Bedarf erweitert
durch die Lektüre geeigneter Bücher, die Teilnahme an wohnortnahen
Selbsthilfegruppen, die Nutzung spezieller wohnortnaher Beratungs- und
Hilfsinstitutionen (Krankenkassenkurse, Bildungsberatung der Stadt Köln,
Sozialberatungsstellen, Freizeit- und Kontakteinrichtungen), weitere körperbezogene
Angebote des Sportstudios (Ernährungsberatung,
Selbstverteidigungstraining, Entspannungsmöglichkeiten) sowie andere
sinnvolle Maßnahmen. Den Organisatoren schwebt vor, möglichst bald
(Finanzierungsfrage!) auch Gestaltungstherapie in das Konzept der
ambulanten psychosomatischen Rehabilitation aufzunehmen. Stärke und Sinn der Gestaltungstherapie
beruhen vor allem darauf, dass sie durch nichtsprachliche
Gestaltungsmittel (z.B. Malen) einen Zugang zu sonst nicht erreichbarem
seelischem und körperlichem Erleben eröffnen.
Viele Angebote können auch nach Abschluss der Rehabilitation
nahtlos weiter genutzt werden (wie Krankenkassenkurse,
Selbsthilfe-Gruppen, Bildungsberatung, Training im Sportstudio).
Die für jeden Patienten geeigneten Maßnahmen werden individuell
vereinbart und in einem Rehabilitationsplan erfasst.
Wie
wird die Rehabilitationsmaßnahme finanziert?
Wir gehen davon aus, dass die Kosten der Psychotherapie von den
Krankenkassen im Rahmen der ambulanten Abrechnungsmöglichkeiten für
Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie getragen werden. Da es sich um
kein klassisches Modell handelt, muss dies von Kasse zu Kasse bzw. von
Fall zu Fall entschieden bzw. ein den offiziellen Bestimmungen
entsprechender Weg gefunden werden.
Die Kosten der Sporttherapie sind prinzipiell von Ihnen selbst zu
tragen. Sie belaufen sich zur Zeit auf DM 240.- pro Monat. Sofern Sie das
Sportstudio nur als normales Mitglied nutzen wollen, beträgt der
monatliche Beitrag bei einjähriger Mitgliedschaft 85 DM. Ein Paket von 10
Übungsstunden kostet 135 DM, ein Paket von 20 Übungsstunden kostet 250
DM. Für Mitglieder ist die Teilnahme an Kursen bereits mit dem
Monatsbeitrag abgegolten. Die Kosten der Gestaltungstherapie werden
voraussichtlich DM 90.- pro Monat betragen (= 4 Therapie- Einheiten). Die
allgemeinen Projektkosten (z.B. Koordinierung) betragen 125 DM im Monat
und werden z.Zt. noch von Dr. Mück getragen.
Soweit Sie es wünschen, werden wir Sie dabei unterstützen, wenn
Sie im Rahmen von Einzelfallentscheidungen eine Übernahme oder
Bezuschussung dieser Kosten bei Ihrer Krankenkasse beantragen wollen. In
der Vergangenheit (1995) haben sich die AOK Rheinland und die IKK Bergisch
Land bei einzelnen Patienten zur Bezuschussung der Sporttherapie
bereit erklärt, ohne dass sich daraus jedoch irgendwelche Ansprüche
für die Betroffenen oder andere Versicherte ableiten lassen. Bei der
Teilnahme an Selbsthilfegruppen und der Nutzung öffentlicher
Beratungsangebote entstehen im allgemeinen keine Kosten.
Wo
finden die Veranstaltungen statt?
Die
psychotherapeutischen Sitzungen sowie die Gesprächsgruppe finden in der
Praxis von Dr. Mück statt, die Sporttherapie im Dünnwalder Sportstudio
"Sports Connection" (Rönsahler Str. 27, 51069, Tel. 0221/60 27
64; Ansprechpartner sind dort der Arzt und Diplom-Sportlehrer Gregory
Janshoff bzw. die Diplom-Sportlehrerin Petra Boer-Janshoff). Das
Sportstudio sieht auf ca. 1.000 qm Fläche mit rund 100 verschiedenen
Trainingsstationen getrennte Übungsstätten für Männer und Frauen sowie
gemeinsame Kurse vor. Neben den beiden großen Gerätehallen verfügt es
über drei Gymnastiksäle, zwei Saunabereiche, einen Kinderspielraum und
zwei Kommunikationszentren. Zu den Betreuern zählen Ärzte, Diplom-
Sportlehrer, Krankengymnasten sowie staatlich geprüfte Tanz- und
Gymnastiklehrerinnen. Um auch Müttern mit kleinen Kindern genügend
Trainingsmöglichkeiten zu eröffnen, bietet das Studio in der Regel fünfmal
pro Woche jeweils zwei Stunden Kinderbetreuung an (bislang kostenlos).
Wie
wirke ich an diesen Maßnahmen mit?
Die
Teilnahme an dem Modell setzt voraus, dass Sie ausreichend lang die Möglichkeiten
der Einzelpsychotherapie wahrnehmen (Häufigkeit nach Absprache) sowie
mindestens 6 Monate lang an der Gesprächsgruppe (einmal wöchentlich 2
durch eine Pause getrennte Sitzungen) und an der Sporttherapie (dreimal
pro Woche) teilnehmen. Hinzu kommt die Bereitschaft, an den erforderlichen
psychologischen und medizinischen Eingangs- und Abschlussuntersuchungen
mitzuwirken. Die Wahrnehmung weiterer Angebote steht in Ihrem Ermessen
(wie die Nutzung der Sauna des Sportstudios oder die Teilnahme an einem
Selbstverteidigungskurs). Über Einzelheiten der jeweiligen
therapeutischen Maßnahmen informieren wir Sie individuell bzw. mit Hilfe
spezieller Unterlagen. Vor Beginn der Sporttherapie ist es unabdingbar,
Ihre Sporttauglichkeit durch Ihren Hausarzt überprüfen und uns
schriftlich bescheinigen zu lassen. Dazu gehört insbesondere auch ein
Belastungs-EKG und eine Lungenfunktionsprüfung. Wir empfehlen Ihnen,
zumindest für die Dauer der Rehabilitation ein Trainings- und
Psychotherapietagebuch zu führen.
Wie
vertraulich ist diese Behandlung?
Auch
im Rahmen des Modellversuchs "ambulante psychosomatische
Rehabilitation" gilt selbstverständlich die ärztliche
Schweigepflicht uneingeschränkt. Wir werden keinerlei individuelle Daten
veröffentlich, es sei denn, dass Sie uns ausdrücklich dazu ermächtigen.
Was die Gruppengespräche anbetrifft, so verpflichten sich alle Mitglieder
durch ihre Teilnahme dazu, Außenstehenden gegenüber strenge
Verschwiegenheit einzuhalten. Das Betreuungspersonal des Sportstudios muss
zumindest Ihre körperlichen Probleme kennen, um Sie optimal unterstützen
zu können. Wir bitten Sie deshalb, Ihre Betreuer über Ihr
gesundheitliches Befinden zu informieren. Ansonsten weiß keiner der
anderen Studio-Besucher, dass Sie Teilnehmer einer Rehabilitationsmaßnahme
sind.
Was
sollte ich sonst noch wissen?
Bitte
berücksichtigen Sie, dass es sich vorerst um ein Modellprojekt handelt,
bei dem unzählige praktische Hindernisse (insbesondere im
Finanzierungsbereich) überwunden bzw. geklärt werden müssen und bei dem
wir auf die Kooperation der Krankenkassen sowie die Akzeptanz der Kassenärztlichen
Vereinigung angewiesen sind. Vieles lässt sich daher momentan noch nicht
verbindlich sagen. Scheuen Sie sich nicht, Herrn Janshoff und mir
jederzeit Ihre Fragen zu stellen. Angesichts der noch geringen
Patientenzahl dieses Modellversuches
und der niedrigen Monatsgebühr ist es wirtschaftlich vorerst nicht
möglich, während der Sporttherapie durchgehend die Anwesenheit eines
Arztes zu gewährleisten. Sie trainieren also auf eigene Verantwortung.
Bitte halten Sie sich daher an die Trainingsempfehlungen.
Wir streben mittelfristig an, den Modellversuch durch einen oder
mehrere Hochschullehrer wissenschaftlich begleiten zu lassen. Schon jetzt
haben wir uns der Mitwirkung kompetenter Berater versichert. Sie selbst können
das Modell unterstützen, indem Sie uns Ihre Erfahrungen als Teilnehmer
spontan bzw. schriftlich mitteilen.
Psychotherapeutische Praxis und Sportstudio sind rechtlich,
wirtschaftlich und personell getrennte Einrichtungen, die lediglich im
Rahmen des Modellversuches kooperieren. Die Zusammenarbeit wird durch
engmaschige Kontakte, monatliche Teambesprechungen sowie die gemeinsam
erarbeiteten Rehabilitationspläne gewährleistet.
Sollten
Sie beim Lesen dieses Faltblattes Lust bekommen haben, das neue Modell
selbst zu erproben, würden wir uns darüber sehr freuen.
Mit
freundlichen Grüßen
Dr.
Herbert Mück
Stand:
21.05.1995 (leider!!!)
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