Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Meine Sichtweise auf "Diagnosen"

 
  1. Diagnosen sind menschliche Konstrukte, die kommen und gehen. Was heute noch als normal gilt, kann morgen schon „krank“ sein und umgekehrt. Ein gutes Beispiel ist die „Homosexualität“, die vor noch nicht allzu langer Zeit offiziell als „Krankheit“ galt. Millionen von homosexuellen Menschen wurden von einem Tag auf den anderen allein dadurch „geheilt“ (!), dass man beschloss, „Homosexualität“ aus den offiziellen Krankheitsverzeichnissen („Diagnoseschlüsseln“) zu streichen.
  2. Viele „Diagnosen“ kommen nur deshalb zustande, weil die Gesellschaft mit dem Verhalten des Betroffenen nicht zurechtkommt und ihn deshalb als veränderungs- bzw. behandlungsbedürftig etikettiert. Als Beispiel erwähne ich gerne die so genannten „Verhaltensgestörten“. Dieses Wort suggeriert, dass die Betroffenen gestört sind. Tatsächlich ist es aber in der Regel die Umwelt, die sich am Verhalten eines einzelnen stört. Dem angeblich „Gestörten“ macht es dagegen oft regelrecht Spaß, zu lärmen, „Unsinn“ zu machen oder sich in sonstiger Weise auffällig zu benehmen. Durch das Etikett „Verhaltensstörung“ wird nun das Problem, dass ein Mensch und seine Umwelt nicht so gut zusammenpassen, einseitig dem einzelnen zugeschrieben. Die Umwelt kann es sich bequem machen und braucht sich nicht zu fragen, ob sich das „Problem“ nicht auch durch größere Toleranz oder Änderungen der gesellschaftlichen Spielregeln und Erwartungen lösen lassen könnte. Manche politischen Systeme entsorgen auf diese Weise auch unliebsame „Dissidenten“.
     
  3. Viele Diagnosen sind „Kategorien“: Nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip fällt man darunter oder nicht. Diese Betrachtungsweise trifft sicherlich manchmal zu (ein bisschen schwanger gibt es nicht). Der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht aber mehr die Betrachtungsweise, dass sich Lebensprozesse auf einem breiten Spektrum abspielen (so kann man etwas, mittelstark oder schwer depressiv, müde oder ängstlich sein). Ab wann liegt also offiziell eine „Depression“, „Schlafstörung“ oder „Angstkrankheit“ vor? Ab wann gilt man als geheilt? Wie viel Angst und Depression sind mit Gesundheit noch vereinbar? Wann ist man wirklich „ganz gesund“?
     
  4. Diagnosen hängen immer auch von dem ab, der sie stellt. Wer mit Kieferschmerzen nacheinander zum HNO-Arzt, Neurologen, Orthopäden oder Zahnarzt geht, wird unter Umständen vier unterschiedliche Erstdiagnosen erhalten. Denn jeder Behandler wird Symptome bevorzugt vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen einordnen.
     
  5. Diagnosen können einschränken und Möglichkeiten verhindern. Seitdem ich einmal miterleben musste, dass einem Patienten der Abschluss einer Lebensversicherung verweigert wurde, kläre ich meine Patienten besonders intensiv über Vor- und Nachteile von Diagnosen auf und welche im Zweifel immer die kleinstmögliche Diagnose.

Aus den genannten Gründen ist es mir wichtig, mit meinen Patienten über ihre „Diagnosen“ zu verhandeln. Dadurch möchte ich vermeiden, dass vor allem „psychische“ Diagnosen als etwas Schicksalhaftes angesehen werden, das ausschließlich mit ihnen selbst zu tun hat und das man nicht mehr oder nur mit größter Mühe loswird. Diagnosen sind für mich im Grunde vor allem dann wichtig, wenn eine „Behandlung“ gewünscht wird, die von einer Versicherung bezahlt werden soll. Auch unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten und zum Zweck der „Qualitätskontrolle“ macht es Sinn, mit Hilfe von Diagnosen „Vergleichbarkeiten“ zu ermöglichen. Nicht zuletzt haben Diagnosen auch etwas Beruhigendes: Ein unklares Symptom erhält einen Namen, der mit meist einem Behandlungsschema verknüpft ist. Dies verringert das Gefühl von Unsicherheit und weckt die Erwartung, dass das weitere Geschehen berechenbar ist. Grundsätzlich möchte ich auf jeden Fall vermeiden, dass meine Patienten dauerhaft stigmatisiert werden.

Die offiziellen Diagnosen finden Sie z.B. unter : www.icdsuche.de.

Lesen Sie auch den kritischen Beitrag von Dr. Thomas Weniger "Krankheitskonstrukte: Zwischen hilfreicher Diagnose und Stigma", den Sie hier als pdf-Datei aufrufen können.

Letzte Bearbeitung: 11.07.2014