Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Therapeutische Geschichte: “Monika“

Die folgende Geschichte verdanke ich Martin Dornes, der Sie auf einem Kongress vorgetragen hat. Sie lehrt, dass es Erinnerungen auf einer tiefen Ebene gibt (vielleicht in Form eines Körper- oder Verhaltensgedächtnisses). Diese sind unserem Bewusstsein nicht zugänglich, aber wir können sie „durch Handeln in Szene setzen“. Außerdem sieht man, wie Phänomene von Generation zu Generation weitergereicht werden können, ohne dass es die Beteiligten merken. Zugleich wird verständlich, warum sich nicht alle „seltsamem Verhaltensweisen“ eines Menschen allein aus seiner eigenen Lebensgeschichte erschließen lassen. Oft muss man in den voran gegangenen Generationen forschen, um das entsprechende Rätsel zu lösen.

Ein berühmter Kinderforscher hatte die Chance, zusammen mit seinen Schülern ein Mädchen, die kleine „Monika“, und deren Nachkommen 40 Jahre lang zu beobachten. Folgendes fiel den Wissenschaftlern unter anderem auf:

Die kleine Monika wurde mit einer Behinderung an der Speiseröhre geboren. Deshalb konnte sie nicht in der gleichen Position wie andere Kinder beim Stillen gehalten werden. Während Babys beim Stillen meist im Arm der Mutter ruhen und sich dabei eng an den Körper der Mutter schmiegen, musste Monikas Mutter ihr Kind beim Füttern auf Abstand halten, um diesem die Nahrung mit einer Sonde verabreichen zu können. Nach sechs Monaten war Monika alt genug, um sich einer Operation an der Speiseröhre zu unterziehen. Der Eingriff war erfolgreich und fortan konnte Monika wie die meisten anderen Kinder dieser Welt beim Stillen gehalten werden.

Als die kleine Monika ca. 3 Jahre alt war, fiel den Forschern auf, dass sie sich beim Spiel mit Puppen seltsam verhielt: Immer wenn sie in Mutter-Kind-Rollen schlüpfte, hielt sie ihre Baby-Puppe so, wie sie selbst von ihrer Mutter während der ersten sechs Lebensmonate gehalten worden war. Dies erstaunte die Forscher, da sich im allgemeinen kein Mensch an die ersten Monate seines Lebens erinnern kann.

Zu einer weiteren Überraschung kam es, als Monika mit ca. 20 Jahren selbst Mutter wurde und ebenfalls eine Tochter zur Welt brachte. Diese war glücklicherweise  völlig gesund. Trotzdem hielt Monika ihr gesundes Kind beim Füttern in der gleichen Art und Weise, wie sie selbst als Baby (aufgrund ihrer körperlichen Behinderung!) gehalten worden war.

Die Kette der Überraschungen gipfelte darin, dass Monikas völlig gesunde Tochter scheinbar ohne Grund die Mutter nachahmte: Auch sie benutzte als kleines Kind beim Puppenspiel die seltsame Füttertechnik, obwohl diese in ihrem Fall erst recht keinerlei Sinn machte. Die weitere Entwicklung lässt sich erahnen. Als Monikas Tochter später ebenfalls Mutter wurde, verfuhr sie mit ihrem eigenen Kind (also Monikas Enkelin) in gleicher Weise, wie es die Großmutter mit Monika eingeführt hatte. Über wie viele Generationen  das seltsame Verhalten insgesamt weitergegeben wurde bzw. noch immer weitergegeben wird, ist leider unbekannt.  

Fragen Sie sich anhand dieser Geschichte, ob es nicht auch bei Ihnen „seltsame Verhaltensweisen“ gibt, mit denen Sie schlecht zurecht kommen. Nutzen Sie die Gelegenheit, Ahnenforschung zu betreiben, wenn Sie für das Verhalten keine Ursachen in der eigenen Lebensgeschichte entdecken. Befragen Sie Ihre Eltern und Großeltern danach, ob es ähnliche Phänomene in der Familiengeschichte schon einmal gegeben hat. Sollten Sie fündig werden, kann dies sehr entlastend sein: Denn für ein entsprechendes „Erbe“ können Sie nicht verantwortlich gemacht werden. Dagegen gehört es zu Ihrer Verantwortung zu entscheiden, inwieweit Sie das betreffende Verhalten an Ihre Kinder weitergeben wollen.