Die Frau spürte: Irgendetwas, irgendjemand stand hinter ihr.
Sie fühlte sich verunsichert und wagte sich
nicht umzudrehen.
Doch konnte sie auf die Bedrohung nicht
reagieren, wenn sie gelähmt stehen blieb.
Daher drehte sie sich um. Eine dunkle Gestalt
stand hinter ihr. Sie erschrak.
„Wer bist du“ fragte sie. „Ich bin die Angst“,
war die Antwort.
Hatte die Angst jetzt auch sie erreicht?
Die Frau entgegnete: „Hör mal, ich will mit
dir nichts zu tun haben. Geh’ weg!“
Und sie drehte sich entschlossen wieder um, um
der Angst schleunigst zu entkommen.
Doch die Angst ließ sich nicht abschütteln.
Was soll ich tun, dachte die Frau.
Ignoriere ich sie? Laufe ich davon? Kämpfe ich
mit ihr?
Bin ich stark genug, sie zu besiegen? Oder
verliere ich im Kampf mit der Angst?
Sie drehte sich erneut um und blickte jetzt
der Angst bewusst in die Augen.
„Hör mal, ich habe dich nicht gerufen – aber
jetzt bist du da. Was willst du von mir?“
Die Angst grinste. „Du kannst mich nicht
abschütteln, ich komme zu jedem.“
Die Frau: „Gut, ich habe zwar Angst,
aber vergiss nicht, du hast mich deswegen noch lange nicht“
Und sie blieb weiter stehen, auch wenn sie der
Anblick der Angst sie frösteln ließ.
Was bietet mir Schutz, Hilfe, dachte sie und
blickte der Angst weiter ruhig ins Gesicht.
Da waren im Geiste plötzlich all ihr Freunde
um sie und machten einen schützenden Wall um sie, gleich einem warmen
Mantel. Worte der Liebe, Mut machende Worte drangen an ihr Ohr und in ihr
Herz. Und siehe, die Angst verlor an Kraft, wurde kleiner und schwächer.
Plötzlich wurde der Kreis um die Frau größer.
Da waren die Erinnerungen an überwundene
Krisen, aus denen sie gestärkt heraus ging.
Da waren Empfindungen, Gefühle, die ein Leben
lang ihre guten Begleiter waren, da waren Liebe, Hoffnung, Freude, Glaube,
Stärke, Getragen-Sein, doch auch Trauer und Unsicherheit, Enttäuschungen,
Schmerz, Krankheiten und der Tod.
Sie alle nahmen sich bei der Hand, bildeten
einen Kreis und tanzten zusammen mit der Frau den Tanz des Lebens. Die
Angst stand abseits und war plötzlich ganz klein geworden.
Doch die Frau nahm sie an der Hand und lud sie
ein in den Kreis zu kommen:
„Auch du gehörst zu mir, auch du bist ein Teil
von mir, Angst. Du bist zwar nicht übermächtig, mein Leben bestimmend.
Doch auch dich brauche ich, um Grenzen und Gefahren in meinem Leben zu
erkennen, um mich mit meinem Leben auseinander zu setzen.
Dafür kannst du mir zu Diensten sein,
beherrschen wirst du mich aber nicht.“
Und die Angst lächelte, nickte, ordnete sich
ein in den Kreis und nahm mit teil am Tanz des Lebens.
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